Landkreis Dachau:Komische Katastrophen

Krise, Bankrott, Geldnot: die Kömödie "Zur schönen Aussicht" von Ödön von Horváth wird durch die Ludwig-Thoma-Gemeinde inszeniert und ist trotz des stattlichen Alters von 86 Jahren sehr zeitgemäß.

Anna Schultes

Am Ende stehen fünf Koffer, fünf Männer und eine Frau auf der Bühne. Es herrscht Aufbruchstimmung in der verkommenen Pension "Zur schönen Aussicht", in der sich die Menschen bislang von Alkohol und ihren Trieben leiten ließen. Das kleine Hotel gibt dem Theaterstück des österreichisch-ungarischen Schriftstellers Ödön von Horváth aus dem Jahr 1926 seinen Namen. Die Dachauer Ludwig-Thoma-Gemeinde hat die Komödie in diesem Frühjahr zu ihrem Theaterprojekt gemacht. Am Freitag feiert das Stück im Ludwig-Thoma-Haus Premiere.

Landkreis Dachau: Nicht nur Kellner Max (Markus Kurbanoglu) wirbt im Stück "Zur schönen Aussicht" der Thoma-Gemeinde um Christine (Snezana Eckl). Die ehemalige Affäre des Hoteldirektors hat gleich fünf Verehrer.

Nicht nur Kellner Max (Markus Kurbanoglu) wirbt im Stück "Zur schönen Aussicht" der Thoma-Gemeinde um Christine (Snezana Eckl). Die ehemalige Affäre des Hoteldirektors hat gleich fünf Verehrer.

(Foto: DAH)

Krise, Bankrott, Geldnot und Menschen, die mit dem sozialen Abstieg zu kämpfen haben - Horváth hätte sein Stück problemlos auch im Jahr 2012 schreiben können. Genau deshalb hat es Regisseur Wolfgang Möckl ausgewählt. "Das Stück ist sehr zeitgemäß", sagt Möckl. "Wie damals ist unsere Gesellschaft heute von Verlustängsten geprägt." Für ihn ist die Komödie ein "Mikrokosmos von abgestürzten Personen". Bei der Probe im Thoma-Haus Anfang der Woche sitzt Regisseur Möckl mit übereinandergeschlagenen Beinen vor der Bühne. Mal verschränkt er die Arme, mal faltet er die Hände hinter dem Kopf. Er wirkt sehr ruhig. "Am Ende muss man sich rausnehmen", sagt der 47-Jährige, der 1988 das erste Mal selbst bei der Thoma-Gemeinde mitgespielt hat. Dann packt es ihn aber doch. "Die Tür muss benutzt werden", schreit Möckl und springt hektisch von seinem Stuhl auf. "Ich weiß, du willst Action", sagt Schauspieler René Rastelli, der die Rolle des Hoteldirektors mimt. Die sieben Schauspieler proben an diesem Abend erstmals mit Bühnenbild, zentral sind sieben Türen, die in die Hotelzimmer führen. Noch ist nicht ganz klar, wann welche Tür benutzt werden soll.

Der Text sitzt nicht zu hundert Prozent, aber Souffleuse Heike Sohnemann flüstert ihn stets im richtigen Moment ein. Sohnemann ist schon lange bei den Theateraufführungen der Thoma-Gemeinde dabei. "Es ist schön, die Entwicklung eines Stücks zu beobachten", sagt sie. Wenn man sie nach der ersten Probe zur aktuellen Inszenierung fragt, lächelt sie. "Man weiß aber aus Erfahrung, dass es gut wird", sagt sie dann. Jetzt sind es nur noch Kleinigkeiten, an denen gefeilt werden muss: die Position eines Stuhls, eine bestimmte Körperhaltung oder eben die Benutzung der Türen. Die Schauspieler proben seit Januar regelmäßig. Kurz vor der Premiere stehen sie täglich zusammen auf der Bühne. Wenn etwas schiefgeht, lachen sie gemeinsam. Auch Möckl muss immer wieder schmunzeln. "Das ist gut", sagt er, wenn ihm etwas besonders gefällt. Oder schlicht: "Ja!"

Komik entsteht über die Katastrophe", sagt der Regisseur. "Zur schönen Aussicht" ist für ihn ein Stück voller Tragik und Bitterkeit, das aber dennoch eine gewisse Leichtigkeit vermittelt. Im Mittelpunkt stehen Figuren, die durchaus einen Hang zu Katastrophen haben. Hoteldirektor Strasser (René Rastelli) beschäftigt in seiner heruntergekommenen Pension den Chauffeur und wagemutigen Rennfahrer Karl (Matthias Hörl), der aufgrund seines Alkoholpegels höchstens auf dem Beifahrersitz Platz nehmen dürfte, und den Kellner Max (Markus Kurbanoglu) - mit reiner Seele, aber dreckigen Füßen. Schwer kann man sich vorstellen, dass diese drei Männer einmal ein Filmstar, ein Künstler und ein reicher Plantagenbesitzer gewesen sein sollen. Doch diese Zeiten sind lange vorbei, jetzt kämpfen sie gegen das Aus des kleinen Hotels. Das Überleben sichert einzig Baronin Ada Freifrau von Stetten (Angelika Mauersich), die als einziger zahlender Gast im Hotel lebt.

Neben Emanuel Freiherr von Stetten (Hubert Trinkl), dem bankrotten Bruder der Baronin, und dem Sektvertreter Müller (Eduard Hörl) ist es in erster Linie die junge Christine (Snezana Eckl), die die Welt der chaotischen Gesellschaft ins Wanken bringt. Die ehemalige Affäre des Hoteldirektors kommt unvermittelt in der Pension an und berichtet vom gemeinsamen Kind. Da die Männer vermuten, dass sie nur Geld möchte, intrigieren sie gegen die junge Frau. Als klar wird, dass Christine kürzlich geerbt hat, beginnt ein illustres Werbespiel - bis am Schluss fünf Koffer, fünf Männer und die junge Frau auf der Bühne stehen. Nach fast vier Stunden Probe ist die Stimmung in der Truppe gut und das Fazit des Regisseurs eindeutig: "Das wird gut."

Die Premiere findet an diesem Freitag, 23. März, 20 Uhr, im Ludwig-Thoma-Haus statt. Weitere Vorführungen: Sonntag, 25. März, 18 Uhr; Freitag, 30. März, und Samstag, 31. März, jeweils um 20 Uhr; Sonntag, 1. April, 18 Uhr. Eintritt: zehn Euro, ermäßigt sieben Euro.

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