Landkreis Dachau:Hochwassergefahr durch Grundeis

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Die Würm friert von unten her zu - Wasserwirtschaftsamt und Stadt München haben Bagger und Arbeiter im Einsatz damit es nicht zur Überschwemmung kommt.

Martin Bernstein

Eisschollen treiben auf dem Würmkanal am Karlsfelder Schloss vorbei. Vorboten drohenden Unheils? Wenn es lange richtig kalt ist, wie in diesen Tagen, wird die sonst so idyllische Würm rasch zum Problemfluss. Dabei sind es noch nicht einmal die Eisschollen, die den Wasserwirtschaftlern die meisten Sorgen machen: Sie schließen dann das Wehr in der Gerberau und drehen dem alten Würmbett einfach das Wasser ab. Die Schollen werden so über den 1691 gebauten Würmkanal Richtung Feldmoching und Oberschleißheim abgeleitet.

Mit den Hydraulikarmen kann der Bagger ins Wasser klettern um das Grundeis auch von den tieferen Stellen des Bodens zu entfernen. (Foto: joergensen.com)

Das wirkliche Problem ist für den Laien auf Anhieb nicht zu erkennen - denn es ist unter Wasser. Dort bildet sich in der Würm, aber auch beispielsweise im Würmkanal, im Hachinger, im Garchinger und im Schwebelbach, das gefürchtete Grundeis. Der Fluss friert von unten zu, großflächige Überschwemmungen können die Folge sein. Ziemlich genau vor 83 Jahren, am 18. Februar 1929 war das der Fall, wie die Münchner Neuesten Nachrichten damals berichteten: "Das Überschwemmungsgebiet des Würmtals zwischen Obermenzing und Karlsfeld war am Sonntag das Ziel Tausender, die aus München und Umgebung in ununterbrochenen Reihen ankamen. ( . . . ) Die überschwemmten Häuser sind rings in Eis eingeschlossen."

Der historische Flusslauf der Würm mäanderte früher, vor seiner Begradigung im Stadtgebiet, auf rund 80 Meter Breite und teilte sich häufig in mehrere Arme auf. Die Flussregulierung am Ende des 19. Jahrhunderts engte die Würm auf sechs bis acht Meter ein. Die Ufer wurden weitgehend mit Blocksteinen, Holzverbau, Spundwänden oder Betonmauern verbaut. Die "Flusskorrektionen" in den Jahren zwischen 1898 und 1901 dienten dem Hochwasserschutz. Vor allem sollten sie verhindern, dass sich das gefürchtete Grundeis bildet. Wirklich beseitigt wurde die Gefahr jedoch nicht.

Die Würm führt nämlich jede Menge Schwebstoffe mit sich. Das dichtet sie einigermaßen nach unten ab. Die gute Isolierung kann die Bildung von Grundeis begünstigen, der Fluss friert von unten her zu, das Eis bildet bizarre Unterwasser-Skulpturen. Grundeis entsteht nach Auskunft des Wasserwirtschaftsamtes München, wenn der Boden bei sehr langem und anhaltendem Frost tiefgründig gefriert und dann auch in der Gewässersohle Minustemperaturen erreicht werden. Voraussetzung sei, dass keine Verbindung zwischen dem Bach und dem Grundwasser bestehe, dass also nur wenig Bachwasser versickert oder warmes Grundwasser durch die Sohle in den Bach einströmt. "Denn das Grundwasser ist wärmer als null Grad und verhindert damit das Einfrieren der Sohle. Wenn Grundeis nicht bekämpft wird, verringert es den Bachquerschnitt und ver-drängt schlussendlich das Gewässer aus seinem Bett." Selbst bei normaler Wasserführung könne so das Wasser über die Ufer treten und zu großflächigen Überschwemmungen führen. Am Würmkanal zwischen Karlsfeld und Feldmoching erinnert noch der "Eishüttenplatz" an die nicht lange zurückliegende Zeit, als dort eine Hütte stand, in der der Flussmeister sich im Winter aufwärmen konnte.

So etwas hätten Flussmeister Michael Greiner, seine Chefin Sylva Orlamünde und ihre Mitarbeiter am Montag bei minus 14 Grad gut brauchen können. Das Münchner Wasserwirtschaftsamt ist seit Freitag am Schwebelbach und am Würmkanal mit einem Stelzenbagger im Einsatz. An manche Stellen - zum Beispiel unter Brücken - kommt der Bagger nicht hin. Dann müssen die fünf bis sechs Männer ran, die Greiner an der Würm im Einsatz hat. Bewehrt mit langen Wattstiefeln müssen sie ins eiskalte Wasser und mit Pickeln das Grundeis losschlagen. Denn das wächst, wenn keine Sonne scheint, rasend schnell. Am Sonntagnachmittag, bei Sonnenschein, waren die kritischen Stellen eisfrei, berichtet Greiner - am Montagmorgen war das Eis bereits 25 Zentimeter in die Höhe gewachsen. Aufpassen müssen die Wasserwirtschaftler auch, dass das losgeschlagene Eis rasch abgeschwemmt wird und nicht seinerseits das Wasser aufstauen kann. Deshalb wurde am Montag der flache alte Würmlauf ab der Karlsfelder Wehrstaudenstraße trockengelegt. "Die alte Würm müssten wir sonst rund um die Uhr überwachen", sagt Greiner. Jetzt fließt das gesamte Wasser durch den Würmkanal. Greiner sagt voraus: "Wenn es so kalt und trüb bleibt, könnte es noch schlimmer werden." Mit einer Entspannung rechnet er frühestens von Mitte der Woche an. Weiter südlich kämpfen Mitarbeiter der Stadt München ebenfalls gegen Grundeis, das sich im Bereich zwischen Allach und Untermenzing bildet.

Eher ruhig ist die Situation dagegen noch am Oberlauf der Würm. Dort führt der Fluss relativ viel Wasser und fließt schnell dahin. "Wir haben noch kein Problem", sagt Walter Schramm, der beim Wasserwirtschaftsamt Weilheim für den Landkreis Starnberg zuständig ist. Allerdings müsse man "den Anfängen wehren". Seine Behörde habe die Kraftwerksbetreiber am Fluss aufgefordert, an Stellen mit reduzierter Fließgeschwindigkeit die Eisbildung im Auge zu behalten.

© SZ vom 08.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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