Am Sonntag sind zwar anders als noch am Freitagabend oder den ganzen Samstag über nur noch vereinzelt Feuerwehrsirenen zu hören, doch das heißt nicht, dass sich die Lage im Landkreis Dachau beruhigt hätte – zumindest nicht wirklich: Denn auch wenn der Regen endlich nachgelassen hat, bahnt sich das Wasser weiter seinen Weg und lässt in vielen Ortschaften Bilder der Verwüstung zurück. 600 Wohnungen im gesamten Landkreis sollen, Stand Sonntagabend, betroffen sein.
Als Nachzügler hat deshalb auch der Landkreis am frühen Sonntagmorgen den Katastrophenfall ausgerufen. Der soll helfen, die Hilfe besser zu koordinieren. Noch in der Nacht haben Einsatzkräfte der Wasserwacht außerdem laut der Kreisbrandinspektion 39 Personen – darunter ein Baby – sowie drei Hunde und zwei Katzen aus Häusern und Fahrzeugen befreit, die von Wassermassen eingeschlossen worden waren.

Hochwasser:Donau-Pegel sinken
Der Wasserstand geht langsam runter, in Regensburg wurde der Katastrophenfall beendet, ebenso in Passau. Die Europawahl verlief in den von der Flut betroffenen Gebieten reibungslos.
Weil die Einsatzkräfte der Feuerwehren, des Technischen Hilfswerks und des Bayerischen Roten Kreuzes ob der schieren Menge an zu rettenden Menschen, vollgelaufenen Kellern und überfluteten Straßen, aber trotz des ausgerufenen Katastrophenfalls kaum hinterherkommen – allein am Samstag waren 750 Kräfte mit 1200 Einsätzen beschäftigt – müssen sich Bewohnerinnen und Bewohner vielerorts selbst zu helfen wissen.
In der Arnbacher Straße in Markt Indersdorf etwa sieht man am Sonntag Menschen, die eine Kette gebildet haben, um so Eimer für Eimer das Wasser aus den Häusern zu manövrieren. Die Wasserpumpen, wenn denn überhaupt vorhanden, funktionieren nämlich nur mit Strom und der ist hier wie auch anderorts unwetterbedingt ausgefallen – aber das Wasser, das in vielen Kellern 50 Zentimeter hoch steht, geht ja schließlich nicht von allein weg.
Im Dachauer Stadtteil Etzenhausen hat die Not die Menschen ebenfalls erfinderisch gemacht: In der Buchkastraße haben Anwohner Biertische über die Straße gelegt, um sich gegen den Webelsbach zu stemmen – vergeblich. Feuerwehr-Pressesprecher Wolfgang Reichelt kommentiert die Lage trocken: „Hier ist Land unter.“
In Markt Indersdorf ist das Wohngebiet, das an den Volksfestplatz angrenzt, stark betroffen. Die Fläche gleicht am Sonntag eher einem See. Zur Unterstützung sind hier deshalb Feuerwehrkollegen aus Garmisch-Partenkirchen, Oberau und Rosenheim angereist. In Altomünster muss das Rückhaltebecken trotz einer am Samstag gebauten Erhöhung durch eine Hochleistungspumpe des THW auch am Sonntag ständig abgepumpt werden, damit die Wohngebäude dahinter nicht überflutet werden. Mit einer weiteren Hochleistungspumpe unterstützt das THW die Freiwillige Feuerwehr Sulzemoos, damit der dortige Graben nicht bis in Wohngebäude fließt.
Auch in Dachau-Süd sowie in Karlsfeld laufen laut einer Pressemitteilung des Landratsamts vom Sonntagabend „aufgrund des hohen Grundwasserspiegels weiterhin Keller und Tiefgaragen voll“. Die B471 war nach einem Unfall zeitweise in beide Richtungen gesperrt, nun gilt eine Tempobeschränkung von 30 Kilometern pro Stunde „aufgrund des immer wieder überlaufenden Wassers und der daraus resultierenden Aquaplaninggefahr“. Ansonsten seien viele Straßen, darunter auch die A8, mittlerweile wieder passierbar. „Die noch bestehenden Straßensperren sollten jedoch weiterhin unbedingt beachtet werden“, heißt es.




Die Bergkirchener Feuerwehren versuchten – unterstützt von Münchner Kollegen – unterdessen den ganzen Sonntag die über die Ufer getretene Maisach einzudämmen und das Hochwasser über den Bulachgraben in die Amper umzuleiten. Das hatte jedoch zur Folge, dass das Grundwasser über die Keller und Tiefgaragen in das Wohngebiet westlich des Bulachgrabens tritt. Dort dürften die Wassermengen Erinnerungen an 2013 wach rufen: Damals wurde durch das Hochwasser das komplette Gebiet überflutet.
Was dort und anderswo noch zu verhindern versucht wurde, dafür ist es in Petershausen längst zu spät. Die Landkreisgemeinde scheint es dieses Mal neben Markt Indersdorf am meisten getroffen zu haben: Die über die Ufer getretene Glonn hat mindestens 50 Wohnhäuser unter Wasser gesetzt, 15 davon laut der Kreisbandinspektion mit aufgeschwemmten Heizöltanks, die das Wasser kontaminieren. Die Menschen aus der direkt am Fluss gelegene Asylunterkunft musste bereits am Freitagabend in Sicherheit gebracht werden, sie sind nun in einer Notunterkunft in Hebertshausen untergebracht. In Absprache mit dem Petershausener Bürgermeister Marcel Fath (FW) und der Feuerwehreinsatzleitung, so heißt es in einer Pressemitteilung des Landratsamts, sei dann am Sonntag um 4.32 Uhr schließlich der sogenannte „K-Fall“ ausgerufen worden.



Dessen Ziel sei es gewesen, so Landrat Stefan Löwl (CSU), Kräfte zu bündeln und Hilfsleistungskontingente zu koordinieren. Gut also, dass der Landkreis seit zwei Jahren eine nigelnagelneue Katastrophenschutzhalle hat. Dort lief die Sandsackabfüllanlage nämlich am Wochenende auf Hochtouren: Insgesamt 50 0000 Säcke wurden von hier verteilt. Doch auch wenn nach jetzigem Stand vorerst keine weiteren Säcke benötigt werden: Für die Einsatzkräfte dürfte auch die neue Woche noch eine arbeitsame werden, denn nach dem Hochwasser ist ja bekanntlich vor den Aufräumarbeiten – zumal die aktuell noch steigende Amper den Experten weiter Sorgen bereitet und auch für Montag noch Gewitter angesagt sind, bevor es dann wieder schöner und wärmer werden soll.

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Für viele andere dürfte trotzdem schon an diesem Montag nach einem regen- und ereignisreichen Wochenende so langsam wieder der Alltag einkehren – zumindest stellen sich das die Behörden so vor: Auf der Facebook-Seite des Landratsamts heißt es, der Schulunterricht finde „grundsätzlich regulär statt“, nur an der Grundschule Petershausen und der Dachauer Berufsschule falle der Präsenzunterricht wegen Wasserschäden nach aktuellem Stand sicher aus.
Unter dem Post macht sich darüber Unmut breit: Die Menschen hätten doch gerade andere Probleme, als ihre Kinder in die Schule zu bringen, falls der Bus ausfällt, schreiben einige. Darüber hinaus, so sagt es Sina Török vom Landratsamt, hätten sie am Bürgertelefon aber kaum Beschwerden erreicht. Und was die Schulbeförderung anbelangt: Der Busverkehr verkehrt laut dem Landratsamt normal – es könne aber natürlich sein, dass eine Haltestelle oder ein Streckenabschnitt nicht angefahren werden könne.
Bis der Normalzustand wieder ganz herstellt ist, wird es also sicherlich noch ein paar Tage dauern. Auch deshalb ist geplant, dass das eingerichtete Bürgertelefon noch die gesamte Woche über von 8 bis 12 Uhr sowie von 14 bis 18 Uhr erreichbar sein wird, unter den Nummern 08131 74-250 und -131. Viele Fragen kommen ja erst mit der Zeit – wenn das Wasser weg ist und alle Schäden sichtbar werden. Zusätzlich sei, so Török, deshalb geplant, am Montag zwei Wertstoffhöfe außerplanmäßig zu öffnen.
Neben denen, die viele Fragen haben und ein wenig Frust, gibt es aber natürlich auch die, die trotz der Warnungen, die überschwemmten Flächen zu betreten, ihre Freude an den ungeahnten Wassermassen haben: Vor dem Indersdorfer Gymnasium sieht man Stand-up-Paddler, in Petershausen bei Asbach sind am Sonntagnachmittag ein paar Jungs auf Wasserskier unterwegs.