Haushalt 2023:Wer soll das bezahlen?

Haushalt 2023: Knapp 170 Millionen Euro an Schulden muss der Landkreis Dachau aufnehmen.

Knapp 170 Millionen Euro an Schulden muss der Landkreis Dachau aufnehmen.

(Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Zwei neue Gymnasien und dazu noch ein neues Landratsamt: Kreiskämmerer Michael Mair warnt, dass der Landkreis ohne eine deutliche Erhöhung der Kreisumlage spätestens im kommenden Jahr nicht mehr handlungsfähig sei. Auch die Fraktionen sehen die Lage kritisch.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Kreiskämmerer Michael Mair hat mit einem Volumen von 239 Millionen Euro einmal mehr einen Rekordhaushalt vorgelegt - und das, obwohl sich die Kreisrätinnen und Kreisräte seit Mitte Dezember in mehreren Ausschüssen darum bemüht haben, die Ausgaben zu drücken. Ganze sechs Millionen Euro an Planungskosten für das neue Landratsamt sind dem Rotstift zum Opfer gefallen, ebenso 400 000 Euro, die für eine komplette Sanierung der Außenfassade des Indersdorfer Gymnasiums vorgesehen waren und bei der man sich nun auf die Westseite beschränkt. Bei den Personalkosten wurde gespart, das Projekt Klimaladen ist für dieses Jahr gestrichen, die Entscheidung über eine Beteiligung an der IBA GmbH vertagt. Und trotzdem, das machte Mair im Kreistag deutlich, "reicht es nicht" - zumindest nicht, mit Blick auf die beiden Gymnasien, die der Landkreis bis 2025 bauen will.

Allein am Umlagehebesatz zu sparen, werde das Problem auf Dauer nicht lösen, betonte er. Denn einer Schuldenaufnahme von rund 170 Millionen Euro müsse über kurz oder lang auch eine Gegenfinanzierung gegenüberstehen.

Für dieses Jahr, das hatte der Kreiskämmerer bereits im Vorfeld deutlich gemacht, bekomme man noch einen genehmigungsfähigen Haushalt zustande, doch wenn die Kreisumlage unter der Marke von 50 Prozentpunkten bleibe, drohe nichts weniger als "Handlungsunfähigkeit". Schon in diesem Jahr werde die Mindestzuführung von 0,79 Millionen Euro nicht erreicht. Mit einer Kreisumlage von lediglich 49,5 - er hatte mindestens 49,99 vorgeschlagen - sei mehr schlicht nicht möglich gewesen.

Man müsse daher in Zukunft noch stärker priorisieren, so Mair, oder irgendwo frisches Geld auftreiben. Er appellierte zudem an alle Kreisrätinnen und Kreisräte, die zuständigen Bundestags- und Landtagsabgeordneten, wann immer man ihnen über den Weg laufe, um finanzielle Unterstützung zu bitten. Andernfalls werde etwa die Verkehrswende nicht gelingen.

Sieben Kreisräte stimmen gegen den Haushalt

Landrat Stefan Löwl (CSU) schlug in die gleiche Kerbe: Sowohl Freistaat als auch der Bund seien in der Pflicht, Landkreis und Kommunen zu helfen. Doch auch wenn er mahnte, dass der Landkreis stellenweise über seinen Verhältnissen lebe: "Sparen, koste es was es wolle, kann es aus meiner Sicht auch nicht sein." Ein Landkreis, der nur noch verwalte statt gestalte, sei nicht attraktiv. Den von Kreiskämmerer Mair vorgelegten Haushaltsentwurf bezeichnete er als gelungen, er sie auch ein wichtiges Signal an Bund und Länder, dass es so nicht weitergehen könne.

Eine Mehrheit im Kreistag sah das ähnlich: Mit Sebastian Leiß und Hans Kornprobst (beide FW Dachau), Achim Liebl und Roderich Zauscher (beide Grüne) sowie Markus Kellerer, Georg Niedermeier und Karl-Hermann Behrens (alle AfD) stimmten lediglich sieben Kreisräte gegen den Haushalt. Kritik wurde jedoch auch in den Reden der anderen Fraktionen laut, unter anderem der Landratsamtsneubau wurde angesichts der prekären Haushaltslage mehrfach infrage gestellt. Ein Überblick über die Positionen:

Stefan Kolbe, CSU

Lange habe man um diesen Haushalt gerungen, so Stefan Kolbe, nun gebe es seitens seiner Fraktion für den vorgelegten Entwurf "uneingeschränkte Zustimmung". Er begrüße es, dass der Landkreis für so wichtige Themen wie Bildung und ÖPNV einstehe. Allerdings werde es durch die anfallenden Kosten immer schwieriger, innerhalb der kommunalen Familie solidarisch zu sein, Stichwort Kreisumlage; der wachsende Landkreis Dachau sei mit seinen zunehmenden Aufgaben "unterfinanziert". In Zukunft werde man deshalb wohl noch öfter Nein sagen müssen bei freiwilligen Aufgaben. Den Landratsamtsneubau hält Kolbe allerdings für notwendig, eine Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt sei "nicht sinnvoll", weil keine Kostenkalkulation vorliege.

Achim Liebl, Grüne

Die Frage, ob man dem Haushalt so zustimmen könne, habe seine Fraktion gespalten, so Achim Liebl, zu einer einheitlichen Position sei man letztlich nicht gekommen. Die gesamte Fraktion teile allerdings die Sorge, dass geplante Einsparungen in den kommenden Jahren zu Lasten der Nachhaltigkeit, des Klimas sowie des ÖPNV gehen könnten. Aus Sicht der Grünen gilt es aber, gerade in diesen Bereichen aktiv zu bleiben, zumal gerade der ÖPNV "eine der zentralen Klimaschutzmaßnahmen im eigenen Handlungsbereich" des Landkreises sei. Die Planungen für das neue Landratsamt zu verschieben, hielten die Grünen für richtig, ratsam sei eine Neubewertung des Vorhabens.

Marianne Klaffki, SPD

Das Defizit im diesjährigen Haushalt lasse sich nicht "wegdiskutieren", so Marianne Klaffki. Doch die SPD-Fraktionssprecherin betonte auch: Eine weitere Erhöhung der Kreisumlage wäre "Gift für die Gemeinden". Ebenso dürfte trotz der finanziellen Schieflage weder an der Bildung, noch an den Bereichen Soziales und Kultur gespart werden. Gerade Letzteres spiele eine "eminent wichtige Rolle", wenn man Teilhabe anstrebe. Es dürfe kein "Kaputtsparen bis hin zum Totsparen" geben. Man müsse ein "Alarmsignal" senden, das im Bayerischen Landtag gehört werde.

Michael Reindl, FW

Erst die vielen Einsparungen hätten den Haushalt für die Freien Wähler zustimmungsfähig gemacht, so Michael Reindl, trotzdem müssten weiterhin alle freiwilligen Leistungen "auf den Prüfstand" gestellt werden. Allerdings fordere auch seine Fraktion darüber hinaus mehr Unterstützung vom Freistaat, vor allem bei der Finanzierung des ÖPNV. Komme die nicht, müsse man sich über kurz oder lang von der ein oder anderen Buslinie wieder verabschieden. Der Landratsamtsneubau sei aus Sicht der Freien Wähler ein Vorhaben, "dass bis auf weiteres zurückgestellt werden müsste". Ohne eine "unbändige Erhöhung" der Kreisumlage sei das Vorhaben nicht zu stemmen.

Markus Kellerer, AfD

Wie auch die übrigen Fraktionen wolle die AFD nicht in den Bereichen Schulen und ÖPNV sparen, so Markus Kellerer, sehr wohl aber bei Asyl und Klimaschutz. Weil gerade im Bereich Asyl seit Jahren massiv investiert werde, könne man dem Haushalt nicht zustimmen, viel zu viele Stellen in der Verwaltung seien nur aufgrund von Migration notwendig, das dafür notwendige Geld fehle an anderer Stelle, könne nicht für "einheimische Bürger" aufgewendet werden. Mit der Ablehnung des Haushaltsentwurfs stelle man sich explizit gegen einen "bunten Klimastaat ohne Grenzen".

Leonhard Mösl, ÖDP

Zwar sei der Landkreis, wie eine Firma, "die kurz vor der Insolvenz steht", so Leonhard Mösl, trotzdem sehe seine Fraktion keine andere Möglichkeit, als dem Haushaltsentwurf zuzustimmen. Mösl kritisierte vor allem das ständige Wachstum, das seit Jahren propagiert werde: "Wir sollen gut sein, aber nicht immer die Besten." Man müsse einmal innehalten und sich bewusst werden, was wirklich notwendig sei und was nicht. Im Falle einer "unpopulären Entscheidung", die der Kreistag in Zukunft vermutlich öfter treffen müsse, warb er dafür, als Gremium "zusammenzuhalten".

Sebastian Leiß, FW Dachau

Statt immer mehr Personal einzustellen, brauche es eine Rückbesinnung auf die Kernaufgaben des Landkreises, zum Beispiel den Katastrophenschutz, fordert Sebastian Leiß. Alles für wichtig zu erklären und nirgends sparen zu wollen, sei keine Option mehr. Wie einige seiner Vorredner übte auch Leiß Kritik an den Plänen für ein neues Landratsamt: Es sei Zeit "zu erkennen, dass hier grundsätzlich falsch entschieden worden ist". Landrat Löwl empfahl er, noch einmal über einen alternativen Standort, etwa am MD-Gelände, nachzudenken. Den vorgelegten Haushalt könnten die FW Dachau unter den gegebenen Umständen nicht mittragen.

Peter Heller, Bündnis für Dachau

Dem Haushaltsentwurf könne das Bündnis für Dachau so zustimmen, sagte Peter Heller. Zugleich warb er dafür, Photovoltaik-Anlagen auf landkreiseigene Gebäude sowie auf Freiflächen zu bauen, wo dies noch nicht geschehen sei; den Strom aus den erneuerbaren Energien könne der Landkreis nach einer Gesetzesänderung gewinnbringend verkaufen. Einen Neubau des Landratsamts sehe aber auch seine Fraktion kritisch, allein was die Kosten anbelange, habe man es mit einer "Wundertüte" zu tun. Wenn man sich nicht auf darauf einigen könne, das Vorhaben ganz aufzugeben, sei es angesichts der Haushaltslage deshalb zumindest ratsam, das Projekt zu verschieben. Einen entsprechenden Antrag werde man zeitnah stellen. Heller sprach sich im Falle eines Neubaus ebenfalls für einen alternativen Standort auf dem MD-Gelände aus.

Frank Sommerfeld, FDP

Aus Sicht der FDP sei der vorgelegte Haushalt "ausgewogen" und ein "guter Kompromiss", so Frank Sommerfeld. Gleichwohl müssten die ständig steigenden Kosten nach Möglichkeit eingebremst werden, das eigene Handeln müsse deshalb regelmäßig evaluiert werden. Die Aussage von Kreiskämmerer Mair, wonach dem Landkreis 2024 Handlungsunfähigkeit drohe, wollte Sommerfeld als "Weckruf" verstanden wissen.

Wolfgang Moll, WIR

Im vergangenen Jahr, so Wolfgang Moll, habe er den Haushalt noch ablehnen müssen. In diesem Jahr stehe der Haushalt zwar immer noch auf "tönernen Füßen", er sei deshalb auch unentschlossen in die Sitzung gegangen, aber seine Vorredner hätten ihm vor allem durch ihre Kritik am Landratsamtsneubau wieder Zuversicht gegeben. Bei den freiwilligen Leistungen, die es auf den Prüfstand zu stellen gelte, mahnte er an, den Sport "nicht zu vergessen", da dieser eine "gesundheitspräventive Aufgabe" erfülle.

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