Süddeutsche Zeitung

Landkreis Dachau:Faszination in Weiß

29 Künstler der KVD loten auf der Mitgliederausstellung die Dimensionen einer Farbe aus, die eigentlich keine ist.

Viktoria Großmann

Weiß - wie eine leere Leinwand, auf der etwas entstehen soll. Weiß ist die Leere, die der Künstler füllen muss - sie kann auch Angst auslösen. Weiß ist auch der Winter, der Schnee, das schale Sonnenlicht am weiß-grauen Himmel. Weiß sind die beschneiten Ackerfurchen auf Maria Detloffs Bild, die ihr Thema jahreszeitlich und großformatig umgesetzt hat. Von ihr stammt die Idee des Leitmotivs zur Mitgliederausstellung der Künstlervereinigung Dachau.

Detloffs fast lautlose Stille wird kontrastiert von knalligem Weiß in den abstrakten Interpretationen von Karin Schuff, Olivia Hayashi oder Inge Jakobson. Die Künstlerinnen arbeiten zwar völlig unterschiedlich, doch machen sie alle aus dem Weiß den Agens ihrer Bilder; die Unfarbe trägt das Thema. Ob dieses nun, wie bei Karin Schuff, "Winterwasser" oder bei Jakobson der Gletscher an einem "Bergmassiv" in Norwegen ist. So ist das Weiß eben nicht das, was übermalt werden muss, es ist das, was absichtlich ins Bild kommt; zur Bekräftigung wird die weiße Leinwand weiß übermalt. Auf Elfriede Hofmanns Acrylgemälde "Weiß durchbrochen" ist das Weiße das zu Grunde liegende, das, was sie beim Übermalen der Leinwand erhalten hat, in dem sie Malerkrepp aufklebte und in Fetzen vom fertigen Bild riss. So wird deutlich, dass die Farben, die darüber liegen nichts sind ohne Weiß. In Olivia Hayashis "Engel in deinem Haar" hellt Weiß die bunten Farben zu einer leuchtenden Mitte auf.

Karin Schuff hat die Ausstellung mit Kollegen gehängt und ist froh darüber, dass es in diesem Jahr nicht so viele sind. Denn besonders die Fotografien der beiden KVD-Neuzugänge Barbara Trommeter und Georg Szabó brauchen Platz. Sie zeigen Räume, deren Formen im weißen Licht nahezu verschwinden. Unbelebt wirken sie, jedoch nicht unbewegt: als würde das Weiß sich Bahn brechen. Die naheliegende Assoziation zum Winter haben mit ihren Fotografien Romy Karbjinski und Katrin Schürmann vollzogen: mit scherenschnittartigen Landschaften und eisbezapften Zweigen.

Weiß ist auch eine Hautfarbe, wenn der Träger dieser Hautfarbe arm ist und in Amerika lebt, wird er als "White Trash" - weißer Müll oder auch Abschaum - beschrieben. Mette Therbild nennt so ihre Collage aus Spanplatte, Plastik und schwarzer Farbe, die für ihr spannungsreiches Thema recht harmlos und anschaulich daher kommt. Eine ebenfalls politische Aussage packt Bruno Schachtner in eine Pappschachtel: an den Seiten bedruckt mit den Worten Stein, Brot, Papier und Salz. Noch ironischer hat nur John Dorer das Thema begriffen: sein Gemälde trägt den Titel "Ich weiß".

Nicht alle ausgestellten Werke wurden eigens wegen der Ausstellung geschaffen. Es sind auch ältere Werke dabei. Unter ihnen sticht Annekathrin Norrmanns großes Gemälde hervor, dass sie hinter einer zerkratzten und weiß übermalten Plexiglasscheibe verbirgt. Es beansprucht seinen eigenen Raum und beunruhigt seine Betrachter, die nicht zum vermeintlich Eigentlichen hinter der Scheibe vordringen können, sondern der Oberfläche ausgeliefert sind.

Jörg Kausch, Klaus Herbrich oder Keramikerin Claudia Flach stellen in diesem Jahr Figürliches aus. Auch Monika Siebmanns präsentiert keine Skulptur. Dafür umso faszinierendere Drucke: erst im weißen Abdruck der schwarzen Eisenplatten zeigt sich, welche Landschaften sich in der unregelmäßigen Oberfläche verbergen. Die 29 KVD-Mitglieder, die das Thema "Weiß" nicht gescheut haben, zeigen eindrücklich, dass die weiße Leere, das weiße zugrunde liegende Nichts, die Kraft hat, selbst zum Thema zu werden - wenn man es nur zulässt. Ausstellung bis 2. Januar 2012.

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Quelle:
SZ vom 15.12.2011
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