Landkreis Dachau:Die Tüftler aus dem Leistungskurs

Vier Schüler des Ignaz-Taschner-Gymnasiums haben eine Anlage konstruiert, die Unternehmen bei Tests für Fußgängerairbags verwenden.

Matthias Pöls

Mit einem metallischen Klacken löst sich der Dummy-Kopf vom Roboterarm, zischt mit enormer Geschwindigkeit los und verfängt sich in drei Seilen. Drei Seile, die verhindern, dass der 3,5-Kilo-Dummy nach einem Airbag-Aufprall ungebremst umherfliegt und dabei die teuren, sensiblen Messgeräte zerstört. Ein Problem, mit dessen Lösung die Firma Autoliv vier Schüler des Ignaz-Taschner-Gymnasiums beauftragte. Die Schüler installierten eine Rückholvorrichtung. Klingt ganz einfach, aber dahinter stecken aufwendige Berechnungen, monatelange Arbeit und viel Fingerspitzengefühl. Die Anlage, die Markus Full, Benedikt Fella, David Joseph und Matthias Raudonis ausgetüftelt haben, wird nicht nur seit November von Autoliv verwendet, einem führenden Hersteller von automobilen Sicherheitssystemen. Auch der Autohersteller BMW installiert die Anlage demnächst an seiner Prüfanlage für Fußgängerairbags. Die vier Schüler im Alter von 17 und 18 Jahren nahmen damit außerdem am Wettbewerb "Jugend forscht" am Münchner Flughafen teil und erreichten dabei den zweiten Platz im Bereich Technik.

Landkreis Dachau: Markus Full demonstriert die Rückholvorrichtung, die er mit Benedikt Fella, David Joseph und Matthias Raudonis entwickelt hat.

Markus Full demonstriert die Rückholvorrichtung, die er mit Benedikt Fella, David Joseph und Matthias Raudonis entwickelt hat.

(Foto: DAH)

So viel Arbeit für einen Lidschlag", sagt Matthias Raudonis. So lange dauert der ganze Vorgang. Doch die Entwicklung begann schon im letzten Jahr. Im Juli sind die Vier angesprochen worden. Die Schüler hatten bereits an einem P-Seminar des Ignaz-Taschner-Gymnasiums in Kooperation mit der Firma teilgenommen und waren bereit weiter zu machen. "Wir hatten ein konkretes Problem, aber keine Lösung", sagt Projektingenieur Thomas Reiter.

Die Firma Autoliv testet in Dachau Fußgängerairbags. Diese sollen in Zukunft serienmäßig in Personenkraftwagen eingebaut werden, um den schwächsten Verkehrsteilnehmer zu schützen. Bei einem Zusammenstoß entfaltet sich an der Front eines Autos ein Airbag und mildert so den Aufprall des Fußgängers. Im Testlabor der Firma wird ein Dummy-Kopf mit bis zu 40 km pro Stunde auf die Airbags geschossen. Nach dem Aufprall flog das Geschoss früher unkontrolliert durch die Gegend und zerstörte dabei schon eine Kamera, berichtet Reiter. Das sollte nicht wieder passieren. Die vier Schüler begannen zu tüfteln. Allerdings durften durch ihre Rückholvorrichtung nicht die Messungen beeinflusst werden. Der Dummy sollte in eine bestimmte Position geholt werden innerhalb von nur 300 Millisekunden nach dem Aufprall - das Zeitfenster eines Wimpernschlags.

Bis November hatten die Schüler aus dem Physik-Leistungskurs ihre Idee verwirklicht: "Drei Seile auf einen Punkt fixieren, das war unser Ziel", sagt Markus Full. Mit Druckluftkonzentration über elastische Gummischläuche, die an zwei Seilwinden gekoppelt sind, schafften es die Schüler, den Dummy-Kopf in Bruchteilen einer Sekunde abzufangen. Theoretisch braucht die Rückholvorrichtung nur 110 Millisekunden dafür; der Kopf des Dummys bewegt sich dabei mit einer Geschwindigkeit von mehr als hundert Kilometern pro Stunde. Die vier Schüler haben auch Wege, Reaktionszeiten, Zugkraft und Reibungswiderstände berechnet - etwas vereinfacht ausgedrückt.

Dabei lieferten sie nicht nur das theoretische Konstrukt, sondern bauten und installierten ihre Apparatur gleich im Testlabor der Firma. Mitarbeiter der Firma Autoliv unterstützten sie dabei. Sie beachteten nicht nur das Gewicht der Anlage selbst, sondern auch das des Dummy-Kopfs: "Für die Messung war das wichtig", erklärt David Joseph. Die entsprechenden Stellen haben sie ausgefräst, eine Schraube als Halterung eingesetzt und mit kleinen, passgenauen Eisenplatten das Gewicht beibehalten. Klingt wieder einfach. Aber das müsse man erstmal schaffen, erklärt Thomas Reiter. Gerade mal um ein Gramm weicht das Gewicht des Dummy-Kopfs von der neuen Konstruktion ab. "Seit November ist sie reibungslos im Dauereinsatz", sagt Markus Full.

Eine ganz grandiose Leistung", lobt Marketing-Leiterin Birgit Degler. "Ein gutes Team, dass keine Profilneurosen entwickelt hat." Jeder der Schüler hat mehr als hundert Stunden Arbeit in das Projekt gesteckt, fast die ganzen Sommerferien damit verbracht und anschließend neben der Schule weitergebastelt - unentgeltlich. Als Belohnung bekamen die vier Schüler nicht nur einen Gutschein über jeweils 100 Euro. Ihnen wurde auch in Aussicht gestellt, als Werkstudenten bei Autoliv zu arbeiten. Natürlich wollen alle Vier nach dem Abitur ein Studium beginnen, das mit diesem Bereich zu tun hat.

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