Landkreis Dachau:"Chill Dich mal, Gretel"

Am Sonntag führt das Ignaz-Taschner-Gymnasium eine moderne Version des Märchens der Gebrüder Grimm auf.

Sophie Burfeind

Leises Gewisper auf der Bühne, vereinzelte Töne von Querflöte und Geige aus den Orchesterreihen. Die Spannung im Raum ist mit Händen zu greifen. In drei Tagen soll hier im Ludwig-Thoma-Haus die Premiere von Hänsel und Gretel stattfinden. Bei der Generalprobe am Dienstagnachmittag liegen die Nerven aller Beteiligten blank - denn bis Sonntag muss noch einiges getan werden. 60 Schüler und Schülerinnen des Dachauer Ignaz-Taschner-Gymnasiums (ITG) sind an der Aufführung des Märchenschauspiels beteiligt: Sie spielen im Schulorchester, singen, tanzen und schauspielern auf der Bühne. Auch für die Technik sind sie verantwortlich.

Landkreis Dachau: Gretel, gespielt von Angelina Kinast, mit Hänsel (Anna Steinmetz) vor dem Hexenhaus. "Knusper, Knusper, Knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen?" sind die lockenden Worte der Hexe (Michaela Kellner)

Gretel, gespielt von Angelina Kinast, mit Hänsel (Anna Steinmetz) vor dem Hexenhaus. "Knusper, Knusper, Knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen?" sind die lockenden Worte der Hexe (Michaela Kellner)

(Foto: DAH)

Sie alle haben sich an einer eigenen Bühnenfassung des Märchens der Gebrüder Grimm beteiligt, in der sie die Geschichte von Hänsel und Gretel auf eine unkonventionelle Art und Weise neu erzählen. Eben auf Schülerart, in Schülersprache. "Chill dich mal", sagt da ein betont lässiger Hänsel mit Kappe, in Schlabbershirt und Baggy zu seiner Schwester. Gretel im pinken Sommerkleid nämlich ist "übelst sauer". Ihr gefräßiger Bruder hat den Pudding ganz allein aufgegessen.

"Das Besondere an der Aufführung ist, dass es sich um eine Schulversion handelt, von Schülern für Schüler", sagt Regisseurin Hedi Bäuml, die Deutsch und Geschichte am ITG unterrichtet. Die Idee dazu entstand im Rahmen zweier Projekt-Seminare, in Kooperation der Projektleiterinnen, Hedi Bäuml und Musiklehrerin Jutta Wörther. Die sogenannten P-Seminare wurden im Zuge des G 8 an bayrischen Oberstufen eingeführt und sollen der Studien- und Berufsorientierung dienen. Den Schülern werden unter anderem Grundlagen des Projektmanagements vermittelt, die bei der Ausführung eines eigenen Projekts praktische Anwendung finden sollen. Ob Text und Schauspiel, Organisation, Bühnenbau oder Tanz - die Schüler konnten sich aussuchen, an welchem Komplex sie sich beteiligen wollten. Die Liste der Aufgaben war lang.

Die Aufführung von Hänsel und Gretel ist das erste Projekt dieser Größenordnung. "Ein wahnsinniger Aufwand", sagt Bäuml, "und mit dem Stress und Zeitmangel, den wir seit dem G 8 haben, im Grunde nicht mehr durchführbar". Die Vorbereitungen laufen schon ein Jahr lang. Seit April proben die jungen Schauspieler und Musiker eifrig an Nachmittagen und manchmal an den Wochenenden. Zwischen den Proben müssen sie Schulaufgaben machen und für Klausuren lernen. Doch die Jugendlichen machen es gerne und mit viel Engagement, betonen die beiden Lehrerinnen immer wieder voller Stolz.

Auch das Bühnenbild haben sie, unterstützt von der Behindertenwerkstatt der Caritas, selbst geschreinert und bemalt. Genauso wie der Text ihre Eigenkreation ist: "Den haben sie selbst verfasst", erzählt Hedi Bäuml, "zeitgemäß, bairisch und salopp." In bewusster Abgrenzung zu klassischen Aufführungen von Hänsel und Gretel, wie sie sich eine in der Staatsoper in München angesehen hätten.

Noch hapert es mit der Umsetzung auf der Bühne ein wenig - mal kippt eine Baumattrappe inmitten eines Dialoges um, mal funktioniert das Mikrofon nicht. Gelegentlich entfällt einem Schauspieler der Text, oder das Orchester klingt sehr unsauber. Auch das fulminante Ende gelingt nur mäßig fulminant: Die Hexe kann nicht in den Ofen geworfen werden - jemand hat eine Leiter dahinter gestellt.

Die vierstündige Generalprobe kostet Geduld, Nerven, und viele, viele Schokoladenkekse. Doch die Mühe lohnt sich: Denn die Inszenierung der Schüler besticht durch einen ganz eigenen Charme. Es ist die flapsige Schülersprache, das liebevoll gestaltete Bühnenbild, gepaart mit der unperfekten, aber unheimlich engagierten und authentischen schauspielerischen Leistung der Jugendlichen, die ihr Märchenschauspiel zu einer reizvollen Vorführung machen. Und zu einer sehr fantasievollen obendrein: Fliegenpilze tanzen im Walde, ein Sandmännchen und ein Pfadfinder treten auf und als Hänsel und Gretel aus Versehen Beeren mit Fuchsbandwurm essen, drehen sie einfach den Rückwärtsknopf - und waschen die Beeren vor dem Essen. Zum Glück soll wie im Märchen auch in ihrer Inszenierung am Ende alles gut ausgehen. Bis zur Premiere am Sonntag sollte die Hexe also wirklich in den Ofen fallen.

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