Landgericht München:Attacke mit der Mistgabel

"Ich bringe dich um": Ein Landarbeiter jagt seinen Chef mit einer Mitsgabel über den Hof und verletzt ihn schwer an der Niere. Vor dem Münchner Landgericht bestreitet er eine Tötungsabsicht.

Viktoria Großmann

Er hat seinen Chef mit einer Mistgabel über den Hof gejagt, ihn an der Niere getroffen, ihm eine blutende Wunde zugefügt - so steht es in der Anklageschrift. "Ich bringe dich um", soll Julius B. seinen Chef dabei angeschrien haben. Wegen versuchten Totschlags muss sich der Rumäniendeutsche deshalb seit Montag vor dem Münchner Landgericht verantworten.

Drei Monate war Julius B. auf dem Reiterhof bei Schwabhausen beschäftigt, fütterte Pferde, mistete Ställe aus, grenzte Koppeln ein, fuhr den Traktor, kümmerte sich ums Silo und alles, was sonst auf dem Hof an Arbeit anfiel. Der Deutschrumäne ist mit der Landwirtschaft aufgewachsen; eigentlich seien für die Arbeit auf dem Hof drei Leute vorgesehen gewesen, erzählt er dem Gericht. Die Kollegen für die zweite Stelle seien gekommen und gegangen, zwischen einem und fünf Tagen hätten sie auf dem Hof ausgehalten. Eine versprochene dritte Stelle sei nie besetzt worden.

Julius B. ist kein besonders großer Mann, etwas untersetzt, das kurz geschnittene, dünne Haar wird schon grau. Er hat ein rundes Gesicht mit einem kleinen Doppelkinn und Schatten unter den Augen, er ist 37 Jahre alt, aber man könnte ihn auch für älter halten. Bis zu 300 Stunden monatlich habe er auf dem Hof gearbeitet, sagt er. Von morgens 6 bis abends 7 Uhr, mit höchstens einer halben Stunde Mittagspause, nur sonntags habe er mal frei gehabt. Der B. sei ein bisschen langsam gewesen, erklärt sein früherer Chef Karl Sch., der als Zeuge aussagt. Er hätte früher Feierabend haben können, wenn er zügiger gearbeitet hätte. Empfindlich sei der B. auch gewesen, schnell beleidigt. Ein bisschen depressiv habe B. gewirkt und traurig.

Freiwillig sei er in die Landwirtschaft gegangen, das sei eine gute Arbeit, so lange man jung sei, erzählt B. Da er auf dem Hof leben konnte und Miete sparte, blieb mehr Geld übrig für seine Familie: seine sechsjährige Tochter, die in Rumänien bei der Oma lebt und seine Lebensgefährtin, die als Altenpflegerin in Italien arbeitet. Vereinbart war ein Lohn von 1200 Euro netto im Monat. Bis auf 100 Euro hatte B. das Geld auch bekommen. Trotzdem kam es an dem Tag, als Julius B. seinem Chef sagte, er könne nicht mehr und kündige, zum Streit. "Leck mich am Arsch" habe sein Chef daraufhin gesagt. Für B. eine ungeheuerliche Beleidigung. In Bayern sei das "ein schlichter Ausdruck der Verärgerung", klärt ihn der Richter auf. Für B. kommt diese Erklärung zu spät, und sie scheint ihm ohnehin nicht einzuleuchten. So etwas habe noch nie jemand zu ihm gesagt. Und dann stand eben ausgerechnet an diesem Tag die Mistgabel in der Nähe.

Zuvor hatten die beiden sich angeschrien. Dann sei B. mit einer Schaufel auf ihn losgegangen, sagt Karl Sch., er habe sich mit einem Besen verteidigt. B. erzählt die gleiche Geschichte, nur umgekehrt. Angst habe er gehabt. Schon einige Jahre früher war B. einmal von mehreren Leuten mit einer Brechstange verprügelt worden, dabei waren ihm Beine und Arme gebrochen worden. Er sei außer sich gewesen an diesem Tag, räumt B. ein. Völlig fertig, körperlich und nervlich, nicht mehr er selbst. Aber er habe seinen Chef nicht töten wollen. "So richtig mit Anlauf" sei der B. mit der Mistgabel auf ihn los, erklärt Karl Sch. Er habe schlechte Erfahrungen gemacht "mit den Ausländern", die hätten ihn schon oft bedroht. Der Prozess dauert an.

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