Süddeutsche Zeitung

KZ-Überlebender stirbt mit 97 Jahren:Trauer um Jean Thomas

Die KZ-Gedenkstätte Dachau trauert um Jean Thomas. Der ehemalige französische Widerstandskämpfer und KZ-Überlebende starb am 4. Oktober im Alter von 97 Jahren in der französischen Stadt La Bouille, einer kleinen Gemeinde an der Seine, wo er auch von 1983 bis 1989 Bürgermeister war.

Jean Thomas, geboren am 25. März 1920 in Louviers in der Normandie, floh mehrmals aus deutschen Kriegsgefangenenlagern. Als er 1942 nach Frankreich zurückkehrte, schloss er sich dem Widerstand an und sammelte wichtige Informationen für das "réseau Charette", einer bedeutenden Résistance-Organisation im Norden Frankreichs. Die Gestapo nahm Thomas am 18. April 1944 in Paris fest und verhörte ihn mit all ihren Zwangsmaßnahmen. Nach mehrmonatigem Gefängnis wurde er schließlich am 2. Juli 1944 in Compiègne in den sogenannten "Train de la mort" gezwungen, der ihn in das Konzentrationslager Dachau bringen sollte. Hunderte seiner Kameraden starben auf dem Transport. Der Entmenschlichungsprozess, den alle Häftlinge bei der Ankunft in Dachau erlebt haben, hinterließ auch bei Jean Thomas tiefe Spuren, die er nie wieder vergessen konnte.

Wenige Wochen nach seiner Ankunft in Dachau wurde Thomas in das Natzweiler-Außenlager Neckargerach gebracht, um Bergstollen auszubauen. Die schweren Arbeitsbedingungen führten zu seiner völligen Auszehrung, so dass er a in das Kranken- und Sterbelager Vaihingen abgeschoben wurde. Kurz vor Ankunft der Alliierten musste sich Jean Thomas ein letztes Mal in einen Gefangenentransport begeben, den Evakuierungszug zurück nach Dachau, wo er am 6. April 1945 ankam.

Nach der Befreiung und Rückkehr nach Frankreich heiratete Jean Thomas und schlug eine Laufbahn beim französischen Militär ein. Er wurde Leiter einer Pensionskasse. Thomas engagierte sich außerdem als Vizepräsident der französischen Lagergemeinschaft zum Gedenken an den Widerstand und die Haft und hielt seine Erinnerungen unter dem Titel "Jusqu'au doux petit ruisseau" fest, der sich auf das Lager in Vaihingen bezieht. Sein Engagement gegen das Vergessen gab er an seine Kinder weiter. Sein Sohn Jean Michel Thomas ist seit 2015 Präsident des Comité International de Dachau (CID). In seiner Rede zum 72. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau betonte er: "Der Nationalsozialismus und seine Verbrechen, die auf der ganzen Welt tiefe Spuren hinterlassen haben, sind immer noch präsent und werden leider in den aktuellen Begebenheiten wieder wach gerufen."

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Quelle:
SZ vom 24.10.2017 / SZ
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