Erinnerungskultur:Die eigene Familiengeschichte in der NS-Zeit erforschen

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Die eigene Familiengeschichte in der NS-Zeit erforschen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Einen Workshop zum Thema „Nazis in der eigenen Familie?“ organisiert die Versöhnungskirche Dachau. Pfarrer Björn Mensing erzählt dort, was er selbst über seinen Großvater herausgefunden hat.

Einen Workshop zum Thema „Nazis in der eigenen Familie?“ organisiert die Evangelische Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau am Samstag, 12. Oktober, von 10 bis 17 Uhr. Laut Pressemitteilung des Veranstalters zeigen Umfrageergebnisse, dass ein Großteil der Deutschen davon ausgeht, dass ihre Vorfahren Gegner des NS-Regimes waren, Verfolgten geholfen haben oder selbst zu Opfern geworden sind. Die Forschung zeigt jedoch genau das Gegenteil, nämlich, dass die nationalsozialistische Diktatur über Jahre von der deutschen Mehrheitsbevölkerung getragen wurde und die meisten Deutschen als Täter, Mitläufer und Profiteure in das Unrecht verstrickt waren.

Dazu erklären die Organisatoren: „Beim Workshoptag geht es aber nicht um Schuldzuweisungen an die Nachkommen, sondern um Tipps und Hilfestellungen zur kritischen Recherche der eigenen Familiengeschichte in der NS-Zeit.“ Zudem werden Beratungsangebote für Menschen vorgestellt, die nicht wissen, wie sie mit der Schuld ihrer Vorfahren umgehen können.

Die eingebrachten Familiengeschichten werden vertraulich behandelt

Den Tag gestalten Pastoralreferentin Judith Einsiedel von der katholischen Seelsorge an der KZ-Gedenkstätte Dachau, Pfarrer und Historiker Björn Mensing und Diakon Frank Schleicher von der Versöhnungskirche sowie der Dachauer Historiker Christoph Thonfeld.

Zu Beginn des Workshops stellt Mensing seine eigenen familiengeschichtlichen Recherchen vor. Sein 1892 geborener Großvater Konrad Mensing war ab 1942 Amtskommissar, ähnlich einem Bürgermeister, und kommissarischer NSDAP-Ortsgruppenleiter der Kleinstadt Exin (polnisch Kcynia) im damals annektierten Teil Polens. Vor einigen Jahren reiste Mensing selbst nach Polen an die Stätten der Kindheit seines 1933 geborenen Vaters und konnte nachvollziehen, dass sein Großvater etwa die völkerrechtswidrige Annexion der polnischen Gebiete begrüßte und als Teil der verbrecherischen deutschen Besatzungsherrschaft handelte.

Die Teilnehmenden des kostenlosen Workshoptages sind dazu eingeladen, Dokumente und Fotos zur eigenen Familiengeschichte in der NS-Zeit mitzubringen, um Hilfestellung für die zeitgeschichtliche Einordnung und weitere Recherchen zu erhalten. Wegen der intensiven Form des Austauschs ist die Teilnehmerzahl auf 14 begrenzt. Die von den Teilnehmenden eingebrachten Familiengeschichten werden vertraulich behandelt.

Bis zum Anmeldeschluss am Montag, 7. Oktober, ist eine Anmeldung im Büro der Versöhnungskirche unter der Telefonnummer 081 31/ 13644 oder per E-Mail an info@versoehnungskirche-dachau.de möglich.

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