Der Kipppunkt ist erreicht, noch bevor das Tor mit der Aufschrift "Arbeit macht frei" durchschritten ist. Direkt am Eingang des Geländes der KZ-Gedenkstätte Dachau, gegenüber des Besucherzentrums, stehen zwei braune Kästen, groß wie Särge. Unter der dunkelbraunen Holzverschalung verbirgt sich ein kippbares Tastmodell des Areals - daran sollten blinde und sehbehinderte Menschen die Konturen der KZ-Gedenkstätte erspüren können. Nun aber ist das preisgekrönte Modell unzugänglich, Aufkleber mahnen, man möge dort weder sitzen noch stehen. Wenige Wochen nach der Einweihung 2020 gab es schon Zank um die Installation. Ursprünglich hätte man das Tastmodell um die eigene Achse drehen können, doch der Kipp-Mechanismus hakte bald; manche klemmten sich die Finger ein, andere ärgerten sich über die umständliche Wartung - nun ist der Sarkophag über dem Relief zum Symbol geworden für den Verfall des gesamten Gedenkortes.
KZ-Gedenkstätte Dachau:"Es ist ganz schön runtergerockt hier"
Lesezeit: 6 Min.

Eine Million Besucher im Jahr hinterlassen Spuren an der KZ-Gedenkstätte Dachau, die Anlage müsste dringend saniert werden. Asbest in den Wänden, defekte Audio-Stationen und ein jüngst eingeweihtes und wieder geschlossenes Tastmodell mit hakeliger Mechanik - Rundgang über einen bröselnden Gedenkort.
Von Jessica Schober, Dachau

Exklusiv KZ-Gedenkstätten:Das lange Schweigen der Claudia Roth
Bayern und Berlin streiten sich um Förderanträge der KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg. Auch in anderen ehemaligen Konzentrationslagern in Deutschland besteht enormer Sanierungsbedarf. Das Geld dafür übersteigt den Etat des Kulturstaatsministeriums.
Lesen Sie mehr zum Thema