KZ-Gedenkstätte Dachau:Digitalisierung der Erinnerung

KZ-Gedenkstätte Dachau: Die neue App der KZ-Gedenkstätte Dachau.

Die neue App der KZ-Gedenkstätte Dachau.

(Foto: Toni Heigl)

KZ-Gedenkstätten müssen insgesamt digitaler werden, um ihre historisch-politische Bildungsarbeit zukunftsfest zu machen.

Kommentar von Thomas Radlmaier

Wie weit darf Rekonstruktion von Geschichte gehen? Der Einsatz von Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) an Gedenkstätten ist umstritten. Soll Erwachsenen und Kindern mithilfe digitaler Anwendungen wie 3D-Brillen suggeriert werden, dass sie den NS-Terror nacherleben, wenn sie durch ein ehemaliges KZ laufen? Der Besuch als Schockerlebnis. Oder sollen Gedenkstätten nur so wenig wie möglich rekonstruieren, dafür aber die Authentizität der historischen Orte größtmöglich wahren? Es gibt auf diese Fragen keine eindeutigen Antworten. Und dennoch müssen die KZ-Gedenkstätten welche finden. Sie müssen sich auf einen schmalen Grat begeben, um die ihre historisch-politische Bildungsarbeit zukunftsfest zu machen. Die Betonung liegt auf müssen. KZ-Gedenkstätten müssen digitaler werden. Dazu gibt es keine Alternative.

Zeitzeugen, die die Lager mit ihren eigen Augen gesehen haben und der heutigen Generation davon berichten können, werden immer weniger. Damit Max Mannheimers Vermächtnis ("Ihr seid nicht für das verantwortlich, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon") fortgesetzt werden kann, müssen die Gedenkstätten vor allem junge Menschen dort abholen, wo diese sich bewegen: in einer zunehmend digitalisierten Welt. Insofern sind ausgewogene Anwendungen wie die neue App der KZ-Gedenkstätte Dachau wichtig. Doch die Vermittlungsarbeit der Gedenkstätten muss noch viel kreativer und effizienter werden, um die Jugend zu erreichen. Dass es dringenden Nachholbedarf gibt, zeigt eine Studie: Zwei von drei Schülern im Alter von 13 Jahren haben massive Vorurteile gegen Juden verinnerlicht.

KZ-Gedenkstätten müssen auch in den sozialen Medien noch viel präsenter werden. Rechtsextreme Hetze, Angriffe auf die Erinnerungskultur und Geschichtsklitterung - all das findet täglich tausendfach auf Facebook oder Twitter statt. Freilich sollte jeder dagegen aufbegehren. Doch auch die KZ-Gedenkstätten haben eine Verantwortung, die Erinnerung im digitalen Raum gegen Angriffe noch mehr zu verteidigen. Es gibt einige Vorbilder, die dies mit großem Engagement tun, wie die Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora um den dortigen Stiftungsdirektor Jens-Christian Wagner. Es braucht mehr davon.

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