KZ-Dachau:Späte Würdigung

Lesezeit: 3 min

Friedbert Mühldorfer gibt die Erinnerungen von Hans Beimler an das "Mörderlager Dachau" neu heraus.

Simon Schramm

Am 25. April 1933 wurde Hans Beimler, Leiter der KPD Südbayern, in das erst einen Monat früher eingerichtete Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Die SS steckte ihn in eine Einzelzelle. Dort fand er seinen Freund Fritz Dressel, Landtagsabgeordneten der KPD, vor - tot am Boden liegend. Beimler beschreibt diese Situation mit folgenden Worten: "Als die Mörder mich in die Zelle 4 geworfen und ich vor mir den toten Freund und Revolutionär nackt und den linken Arm mit den drei Schnitten am Handgelenk überquert - das Brotmesser daneben - auf dem Betonboden liegen sah, stand mir für den Augenblick der Verstand still - eben unfähig, überhaupt darüber im Augenblick zu erkennen, was das zu bedeuten hat." Diese Zeilen stammen aus Beimlers Buch "Im Mörderlager Dachau". Beimler gelang es, schon im Mai 1933 aus dem KZ zu fliehen - und seine Erlebnisse im sowjetischen Exil nieder zu schreiben.

Hans Beimler war einer der ersten Häftlinge des Dachauer KZ. Doch schon 1933 gelang ihm die Flucht So konnte er über die grausamen Erlebnisse im Konzentrationslager schreiben und findet sofort internationale Beachtung. Beimler zeigte so früh auf, was für eine Terror-Organisation die SS ist. (Foto: privat)

Beimlers Buch erschien noch im gleichen Jahr in Moskau, wurde auch in Deutschland illegal verbreitet, ins Englische übersetzt und fand weltweit Beachtung. Aber in der Bundesrepublik Deutschland war Beimlers Bericht in Originalfassung lange Zeit nicht verfügbar. Die erste neue Ausgabe erschien 1965 in der DDR. In Bayern konnte das Buch in der Bayerischen Staatsbibliothek gelesen werden, es gehörte zur Remota III, einer Sammlung von Büchern, die im Dritten Reich weggesperrt waren. 2002 bestand während einer Ausstellung der Bibliothek die Möglichkeit zur Ausleihe. Doch erst in diesem Herbst ist Beimlers Buch vom Münchner Gymnasial-Lehrer Friedbert Mühldorfer neu herausgegeben worden. Max Mannheimer, Präsident der Lagergemeinschaft Dachau, hat dazu das Vorwort geschrieben.

Hans Beimler wird 1895 in Haidhausen geboren. Im Ersten Weltkrieg zieht ihn die Marine ein, das Kriegsende erlebt er in Cuxhaven, wo Beimler sich am Matrosenaufstand im November 1918 beteiligt. Nach dem Krieg kehrt Beimler nach München zurück, seine revolutionären Ambitionen behält er und kämpft 1919 bei der Verteidigung der Münchner Räterepublik mit. Im gleichen Jahr tritt Beimler der KPD bei; er wird politisch aktiv, beendet seine Arbeit als Schlosser, leistet in Südbayern Parteiarbeit und wird 1932 in den Bayerischen Landtag gewählt.

Noch im Februar 1933, zwei Wochen nach der Machtübernahme, wettert Beimler öffentlich gegen die Nazis. Es dauert nicht lange, bis Beimler festgenommen wird. Die SS demütigt Beimler im KZ, bedroht ihn mit dem Tod. Beimler bleibt stark: "Für mich stand aber unumstößlich fest, dass ich erstens auf keinen Fall selbst Hand an mich lege, und dass ich mich zweitens nicht grausam in dem finsteren Dreckloch erwürgen und eventuell aufhängen lassen werde, so dass ich mich entschied, auf jeden Fall in der Nacht auszubrechen, und wenn die Bande mich dabei erwischt - lieber unter ihren Kugeln sterben will."

In der Nacht von 8. auf 9. Mai 1933 flüchtet Beimler, unterstützt von großem Glück und der illegalen KPD. Er schafft es über die Stationen München, Berlin und Tschechoslowakei in die Sowjetunion zu kommen. Innerhalb weniger Tage schreibt Beimler seine Erlebnisse auf. "Im Mordlager Dachau" verbreitet sich schnell, wird in internationalen Zeitungen zitiert. Mit seinem Buch zeigt Beimler früh auf, was für eine Terror-Organistion die SS ist.

Nach der Haft arbeitet Beimler drei Jahre lang für die kommunistische Partei in ganz Europa. Schließlich kommt er 1936 nach Spanien. Diesmal kämpft Beimler gegen den spanischen Faschismus, er organisiert den Widerstand gegen Franco im spanischen Bürgerkrieg mit, an dem sich Arbeiter aus ganze Europa beteiligen. Den Zweiten Weltkrieg erlebt Beimler nicht mehr. Am 1. Dezember 1936 wird Beimler in Madrid von feindlichen Scharfschützen erschossen.

Wie ist dieser Mann nun im Rückblick zu beurteilen? Friedbert Mühldorfer zitiert Beimlers Frau Centa: "Ein Held war Hans Beimler nicht, und wollte er nie sein." Die DDR feierte ihn. Straßen, Schulen und Betriebe wurden nach ihm benannt. Der DDR-Schauspieler und Sänger Ernst Busch schrieb zu Beimlers Ehren ein Lied. In der Bundesrepublik würdigte einzig die Stadt Augsburg ihren ehemaligen Stadtrat, wo Beimler 1928 als Unterbezirksleiter der KPD tätig war. Dort wird schon 1948 die Beimlerstraße eingerichtet. Ansonsten ehren ihn lediglich politische Freunde und Antifaschisten. In seiner Heimatstadt München sei Beimler lange vergessen und verdrängt gewesen, sagt Friedbert Mühldorfer.

Am 1. Dezember diesen Jahres hat sich Hans Beimlers Tod zum 75. Mal gejährt. Zu diesem Datum ist sein Bericht über das KZ Dachau nun in Originalfassung erschienen, ergänzt um Anmerkungen zur Entstehungsgeschichte und zu zeitgeschichtlichen Hintergründen. Nach 78 Jahren kann jeder vollständig lesen, was Hans Beimler in Dachau erlebt hat. Eine späte Würdigung.

Friedbert Mühldorfer (Herausgeber): "Im Mörderlager Dachau" von Hans Beimler, Verlag PapyRossa, Köln.

© SZ vom 06.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: