KVD-Galerie Dachau:Schöne irre Welt

Heiko Klohn begibt sich in seiner neue Ausstellung auf Spurensuche - ästhetisch, gesellschaftlich, aber auch ganz persönlich

Von Gregor Schiegl, Dachau

Die Reise zum Mond beginnt ganz unten. Mit Raumanzug, Helm und Sauerstoffflasche bepackt schleppt sich der Astronaut das Treppenhaus hinauf, Stufe für Stufe. "Noch 384 399,4 Kilometer." In der Etage über ihm wäre ein Notausgang, aber der menschliche Ehrgeiz endet bekanntlich nicht im dritten Stock. In Heiko Klohns Grafiken, die seit Freitag in der KVD-Galerie in Dachau gezeigt werden, bilden sich Momente des großen Weltentheaters ab, verpackt in kunstvoll ausgearbeitete Szenen voller Poesie und Witz. "Es geht ja auch gar nicht anders", sagt der Dachauer Grafiker. "Man würde es ja sonst gar nicht aushalten."

Es sind ungemütliche Zeiten und unsichere noch dazu. Wenn ein Elefant auf einer Handgranate balanciert, ist das ein "Kunststück", bei dem man erst lacht und sich dann gruselt. Vieles in der Welt da draußen ist wackelig geworden oder in Auflösung begriffen, vieles sieht man bröseln in Heiko Klohns Bildern. Nur das Ego, das hat Bestand: als Über-Ich, göttergleich in Stein gemeißelt, steht es triumphal auf einer wolkenumrankten, sehr einsamen, sehr unwirtlichen Bergspitze.

Heiko Klohn

Heiko Klohns Bilder sind detailreich und lassen dem Betrachter doch viel Raum Hier: "Fundstück".

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Zuhause hat der Künstler immer Papier und Stift in Reichweite. Während des Telefonierens zeichnet er Insekten - Zikaden und Hirschkäfer - und das so detailreich und lebensecht, dass man kaum glauben kann, dass er das einfach so aus dem Kopf macht. Klohn kann das, solches Kleingetier schüttelt er quasi aus dem Handgelenk, Fingerübungen sind das zwischen Einkaufszetteln und Telefonnummern - "Arbeitsgrundlagen", wie er es nennt.

Klohn verdichtet diese Skizzen zu einem erstaunlichen stimmigen kaleidoskopartig komponierten Gesamtkunstwerk, in dem kurze Notizen und Gedankenfetzen verbaut sind, Zitate und Liedtexte. Es sind ästhetische Wimmelbilder, in denen die Rock-Heroen seiner Jugend zu Ehren kommen: Frank Zappa, Yes, Pink Floyd. Die schwarzweißgefleckte Kuh vom Cover des Albums "Atom Heart Mother" findet sich als Etikett einer Milchtüte wieder, vieles ist assoziativ, tiefsinnig oder auch einfach nur herrlich albern. Die Grille auf der Motorhaube eines Straßenkreuzers wird zur "Kühlergrille", durch den Orbit kreist ein Mars-Riegel, und über dem windigen Fischkutter des Pastillenherstellers "Fisherman's Friend" schwebt ein majestätischer Buckelwal. Alles hängt mit allem zusammen, und so ist diese Spurensuche, auf die der Künstler die Besucher seiner Ausstellung lockt, eine hübsche Entdeckungsreise, die alte Sichtweisen infrage stellt und neue Perspektiven eröffnet - auf das ganz Große und das ganz Kleine.

Das Weltentheater kennt schließlich auch private Dramen, und auch die spart Heiko Klohn nicht aus, wie etwa die kraftraubende Pflege der kranken Mutter. In einem winzigen Ruderboot strengt sich eine kleine Gestalt an, einen riesigen Baum über einen See zu transportieren, bei dem man weder Wasser sieht noch ein Ufer. Unter dem Boot ist Leere - weißes Papier. Diese Leere findet sich in Heiko Klohns Bildern immer wieder. Sie ist zugleich ästhetisches Momentum, grafisches Motiv, zeigt aber auch eine Offenheit, die Hoffnung gibt: Bei aller begründeten Skepsis besteht - man weiß nie, wie seine Geschichte am Ende ausgehen wird.

Heiko Klohn

Zu einer eigenen Kategorie gehören bei ihm jene Arbeiten, die quasi nebenbei entstehen, wie die "Palette" von Insekten.

(Foto: Niels P. Joergensen)

In der Ausstellung gibt es auch ein Wiedersehen mit Heiko Klohns inzwischen stadtbekannten Elefanten. Seit der KVD-Freilichtausstellung "Raus" sind sie in allen Teilen Dachaus präsent. Wo sollten sie auch sonst hin? Ihre natürlichen Lebensräume schwinden, die so genannte Zivilisation frisst sich immer weiter in ihre Rückzugsgebiete vor. Das Original, eine großformatige und dennoch höchst filigrane Zeichnung, für die Heiko Klohn mehr als 100 Bleistifte aufgerieben hat, kann man jetzt in der KVD-Galerie bewundern - in einem wunderbaren Reservat für das Schöne und traurig Wahre.

"Spuren" von Heiko Klohn in der KVD-Galerie. Öffnungszeiten: Donnerstag bis Samstag 16 bis 19 Uhr und Sonntag 12 bis 18 Uhr. Bis 6. Oktober.

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