Kunstprojekt:Rettet den Regenbogenwald

Im Auftrag der Stadt haben Manfred Nadler und Michaela Soiderer Bäume im Amperwald bunt bemalt. Das Kunstprojekt für mehr Umweltbewusstsein kommt nicht bei allen gleich gut an

Von Anna-Elisa Jakob

Manfred Nadler ist ein Waldschrat. Zumindest dann, wenn er als Theaterpädagoge in eben diese Rolle schlüpft und Kinder über Umweltschutz aufklärt. Aber irgendwie auch in diesem Moment, als er vor seinem neuen Kunstwerk im Dachauer Amperwald steht: Mehrere Bäume haben er und seine Kollegin Michaela Soiderer in Regenbogenfarben angemalt, von einem markierten Punkt aus erkennt man den Regenbogen im Ganzen.

Das Projekt wurde von der Stadt Dachau in Auftrag gegeben und soll Teil einer größeren Aktion werden, die die Abteilung Stadtgrün für den Sommer geplant hat. Die Idee: Bürger im Alltag für den Wandel und die Bedürfnisse der Natur zu sensibilisieren. Der Regenbogen im Amperwald ist nur eine Station der Aktion, nach Fertigstellung soll es eine offizielle Einweihung geben. Doch der Regenbogen im Amperwald sorgt schon jetzt für Aufsehen: bei Spaziergängern, Hundebesitzern, Fahrradfahrern.

Kunstprojekt: Nachts projizieren Michaela Soiderer und Manfred Nadler den Regenbogen an die Bäume im Amperwald.

Nachts projizieren Michaela Soiderer und Manfred Nadler den Regenbogen an die Bäume im Amperwald.

(Foto: Toni Heigl)

Michaela Soiderer und Manfred Nadler haben zwei Tage lang die Bäume im Amperwald bemalt, etwas länger als ursprünglich geplant. Das lag vor allem daran, dass viele Passanten angehalten und sich über die Aktion erkundigt hätten, erklärt Nadler. Vereinzelt ernteten die Künstler Kritik und Unverständnis, vor allem seien aber spannende Gespräche entstanden. Eine Fahrradfahrerin, selbst Kunstpädagogin, beteiligte sich spontan an der Aktion und pinselte gleich ein paar Stunden mit.

Kunstprojekt: Bei Tag lassen Soiderer und Nadler den Regenbogen mit umweltfreundlicher Kasein-Farbe aufleben.

Bei Tag lassen Soiderer und Nadler den Regenbogen mit umweltfreundlicher Kasein-Farbe aufleben.

(Foto: Toni Heigl)

Genau in solchen Begegnungen liege die Begeisterung und der Sinn seiner Arbeit, erklärt Manfred Nadler, langes Haar, Bart, Allwetterjacke. Gerne schmückt er seine Erzählungen mit historischen Anekdoten. So habe man die verwendete Farbe für den Regenbogen im Amperwald - Kasein, eine Mischung aus Quark, Erdmineralien und Sumpfkalk - bereits für Höhlenmalereien oder für die Wandgestaltung der Sixtinischen Kapelle verwendet. Auch für die Figur des Waldschrats hat er eine Definition parat: "Er ist ein Vermittler zwischen Mensch und Natur, er soll die Menschen die Achtsamkeit und den Respekt für ihre Umwelt lehren."

Kunstprojekt: Zu erkennen ist das Gesamtwerk von der markierten Stelle aus.

Zu erkennen ist das Gesamtwerk von der markierten Stelle aus.

(Foto: Toni Heigl)

Abseits des Landkreises, im "Am-Vieh-Theater" in Schwindegg, spielt Nadler regelmäßig die Rolle des Waldschrats für ein Theaterstück, das Kindern einen bewussten und respektvollen Umgang mit der Natur beibringen soll. Mal pflanzt man hier gemeinsam einen Baum, mal ermahnt der Waldschrat zum sorgsamen Umgang mit Wasser. Für Nadler ist der Waldschrat nicht nur eine Figur, er lacht, als er sagt, manchmal wisse er nicht mehr, wo die Rolle aufhöre und er selbst anfange. "Mein Anliegen ist, dass wir uns selbst wieder als Teil der Natur verstehen", erklärt er.

Ein paar Schritte weiter, hinter der nächsten Wegbiegung, arbeitet Nadler gemeinsam mit seiner Kollegin an einem weiteren Projekt. Auch hier soll es darum gehen, den Respekt gegenüber der Natur neu zu erlernen - "das Herz aufzumachen, den Wald als Kraftquelle zu verstehen", so beschreibt es Nadler in bester Waldschrat-Manier. Auf dicken Holzstämmen basteln die beiden Pädagogen mit Dachauer Kindergartenkindern an Weidengeflechten, bisher habe man zwei Tipis und mehrere Traumfänger gebastelt, die eine besondere Ruheoase im Amperwald schaffen sollen.

Als Nadler an diesem Tag an der Stelle eintrifft, wartet jedoch eine böse Überraschung auf ihn. Von den Tipis findet er nur noch ein paar verstreute Äste, die Traumfänger liegen auf dem Boden, die Kunstwerke sind größtenteils zerstört. Man sieht Nadler an, wie fassungslos er in diesem Moment ist.

"Mehrere Tage Arbeit, einfach nicht mehr da", sagt Nadler. Er sammelt die Werke ein, weiß nicht, ob er sie nun mitnehmen soll oder doch später wiederkommen, um sie an Ort und Stelle zu reparieren und wieder aufzuhängen. "Das ist gerade wie ein Schlag ins Gesicht", sagt Nadler. Im nächsten Moment scheint er wieder zurück in die Rolle des Waldschrats zu finden, er spricht mit ruhiger, ernster Stimme: "Genau darum geht es: Achtsamkeit und Respekt vor der Natur, aber auch unter den Menschen selbst." Es gehe um Balance, um ein natürliches Gleichgewicht, philosophiert er. Und so erklärt ausgerechnet diese unglückliche Situation, wo der künstlerische und gesellschaftliche Zweck der Arbeiten im Amperwald liegt.

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