Dachau und Jerusalem:Ein Kunstprojekt mit Symbolkraft

Dachau und Jerusalem: Hoher Besuch: Die israelische Generalkonsulin Sandra Simovich im Gespräch mit Luisa Köhler und Finn Walter (v.l.n.r.).

Hoher Besuch: Die israelische Generalkonsulin Sandra Simovich im Gespräch mit Luisa Köhler und Finn Walter (v.l.n.r.).

(Foto: Toni Heigl)

Den Dachauer und Jerusalemer Schülern ist mit der Ausstellung "Dahusalem" etwas gelungen, was Erwachsenen oft schwer zu fallen scheint: Nicht nur Unterschiede, sondern vor allem Gemeinsamkeiten zu suchen

Von Gregor Schiegl, Dachau

In der Volksbank herrscht am Donnerstagvormittag Normalbetrieb. Kunden heben Geld ab, machen Überweisungen. Die schwarze Limousine, die um kurz nach halb elf vor der Dachauer Bank hält, findet kaum Beachtung. Aus dem Fond des Wagens steigt Sandra Simovich, flankiert von zwei Personenschützern. Die Generalkonsulin von Israel kommt extra aus München, um sich eine Kunstausstellung von Schülern anzusehen, und das sagt schon einiges aus über die Symbolkraft dieses Projekts: Jugendliche des Josef-Effner-Gymnasiums und der Charles-E.-Smith-Highschool of the Arts in Jerusalem haben die Ausstellung in Rahmen eines Schüleraustauschs gemeinsam konzipiert, unterstützt von der Lehrerin Margit Meyer auf Dachauer Seite und in Jerusalem begleitet von Menachem Roth und seiner Kollegin Ana Shilat Nitzan. Der Titel "Dahusalem" bringt dabei den zentralen Gedanken zum Ausdruck: eine freundschaftsstiftende Brücke zwischen zwei Ländern. Ihre Pfeiler könnte eine künftige Schulpartnerschaft tragen. Peter Mareis, Schulleiter des Effner-Gymnasiums, hofft sehr darauf. "Wir haben uns Orte ausgesucht, die uns als Jugendliche wichtig sind", erläutert der 17-jährige Schüler Finn Walter der Generalkonsulin den Ausgangspunkt der Ausstellung. Fotos dieser Orte wurden digital nachbearbeitet, um die Erfahrungen und Gedanken der eigenen Lebenswirklichkeit zum Ausdruck zu bringen. Lieblingsorte, Treffpunkte, Verstecke oder geheime Winkel des Rückzugs. Junge Menschen, ganz gleich wo sie leben, haben ähnliche Sehnsüchte, Träume, Sorgen und Nöte.

Die Corona-Pandemie legte dem Projekt einerseits dicke Brocken in den Weg - nach dem Besuch der Dachauer Schüler stünde nun eigentlich der Gegenbesuch der Israelis an, aber das wird realistisch wohl erst klappen, wenn die Jugendlichen ihren Abschluss längst in der Tasche haben. Andererseits hätte "Dahusalem" vielleicht nie dieses erstaunliche politische Sogkraft entwickelt: Corona zwang die Schüler, sich was einfallen zu lassen, damit die Ausstellung mitten im Lockdown doch noch eröffnet werden kann. Finn Walter, der bereits einige Filmprojekte umgesetzt hat und nach dem Abi auf einen Platz an der Filmhochschule in München hofft, hatte die Ausstellung als professionellen Film-Stream produziert - mit hochrangigen Gastrednern: Kultusminister Piazolo, seinem Vorgänger Ludwig Spaenle, der nun Antisemitismusbeauftragter der bayerischen Staatsregierung ist - und Sandra Simovich, die schon in ihrer Grußrede angekündigt hatte, dass sie diese Ausstellung selber gerne anschauen würde. Oberbürgermeister Florian Hartmann und Landrat Stefan Löwl leisten ihr Gesellschaft. Reden hält keiner, die Generalkonsulin schlendert durch die Ausstellung, neugierig, freundlich, berührt von den kleinen, persönlichen Bildergeschichten. Um zu erfahren, was ihr dabei durch den Kopf geht, muss man sie schon fragen.

"Ich freue mich sehr über diese Ausstellungen", sagt sie. "Junge Leute sprechen in einer gemeinsamen Sprache der Kunst, was sie bewegt. Das hat mich wirklich sehr beeindruckt - und auch, dass sie trotz Corona und all den Schwierigkeiten freiwillig weiterarbeiten, um sich irgendwann zu treffen. Das ist sehr schön und inspirierend und gibt mir als israelischer Diplomatin in Deutschland viel Hoffnung." Von ihrem Amtszimmer am Karolinenplatz kann Simovich auf die ehemaligen Parteibüros der NSDAP blicken, und natürlich bereitet auch ihr der immer offener, immer ungenierter zutage tretende Antisemitismus Sorgen. Aber genau deswegen sei es ja so wichtig, sich kennenzulernen, sich zu besuchen, so wie die Jugendlichen.

Finn Walter räumt ein, dass es bei manchen Eltern vor dem Schüleraustausch manchmal ein bisschen Sorge angeklungen habe, wie sicher es in dem Gastland denn sei. Nachrichtenbilder von Militär und Terror verstellen den Blick darauf, dass Israel ein sehr modernes, technisch fortschrittliches und gastfreundliches Land ist. Genauso haben es die Schüler erlebt. "Es war cool, echt cool", sagt Finn Walter. "Und meine Gastfamilie hat auch gesagt: Ihr könnt jederzeit kommen!"

"Dass die jungen Menschen sich treffen, sich austauschen, dass sie gemeinsam auch Projekte machen, das ist unglaublich wertvoll", sagt Dachaus OB Florian Hartmann. "Das viel Bedeutendere - so klein das zunächst ausschauen mag - ist das Große, was dahintersteht: dass sich hier Nationen austauschen und zusammenwachsen. Gerade in Bezug auf Deutschland und Israel ist das eine ganz tolle Geschichte." Und wenn das "von unten heraus" entsteht, aus der Gesellschaft, sei das "grandios".

Dachaus unrühmlicher Beitrag zum dunkelsten Kapitel jüdischen Lebens in Deutschland spielte bei dem Schüleraustausch übrigens so gut wie keine Rolle. "Das wurde eigentlich nie thematisiert", erzählt Finn Walter. Und seine Mitschülerin Luisa Köhler sagt: "Es ging ja auch nicht darum, Unterschiede zu suchen, sondern Gemeinsamkeiten zu finden." Diese Gemeinsamkeiten dokumentiert die Ausstellung "Dahusalem". Luisa Köhler würde den Brückenbau mit anderen Ländern gerne beruflich weiterführen. Die 18-Jährige hat sich für den auswärtigen Dienst beworben. Die Generalkonsulin Sandra Simovich findet das eine tolle Idee. Wenn Luisa wolle, könne sie ja ein Praktikum im israelischen Generalkonsulat machen. Bevor sie abfährt drückt sie der Schülerin noch ihre Visitenkarte in die Hand.

Die Ausstellung "Dahusalem" ist bis Freitag, 26. Februar, in der Volksbank Dachau zu sehen. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 8.15 bis 12 Uhr.

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