Es gibt Menschen, die hören Musik, wenn sie ein Bild anschauen. Oder solche, die sich Farben und Formen sehen, sobald Töne erklingen. Diese außergewöhnliche Begabung der Synästhesie hat im Karlsfelder Kunstkreis niemand. Dennoch haben sich die Mitglieder in den vergangenen Wochen Gedanken über "Farbklänge" gemacht. Und das Ergebnis ist vielfältig und eindrucksvoll: 17 Künstler - 17 sehr verschiedene Arbeiten und Ideen.
"Der Titel unserer Ausstellung sollte zum Kulturfest passen, das am kommenden Wochenende in der Neuen Mitte stattfindet", sagt die Zweite Vorsitzende, Carin Szostecki. Im Fokus stehen dann Musik und Tanz der verschiedensten Kulturen. Karlsfeld feiert sein buntes Miteinander: Die Volksgruppen präsentieren ihre Traditionen. Den Auftakt macht die Vernissage am Freitag, 19. Juli, um 19 Uhr in der Galerie am Drosselanger 7.
Das bunte Miteinander hat viele inspiriert. Klaus Herbrich hat sein Werk "Crescendo" genannt. Aus rot-schwarz-grauem Marmor hat er ein Kreissägeblatt herausgearbeitet, aber eben nicht ganz. Auf der einen Seite ist der österreichische Marmor noch in seinem Urzustand. Nur Kenner können erahnen, was für eine wunderschöne Maserung zum Vorschein kommt, wenn man ihn schneidet, schleift und poliert: ein lebendiges, warmes Farb-Crescendo. Auf der anderen Seite hat Herbrich einen Teil des Kreissägeblattes herausgearbeitet. Die Zacken sind jedoch nicht scharf und bedrohlich, sondern nur angedeutet, rund, glatt. Wenn man das Kunstwerk anfasst, wirkt es eher wie ein Handschmeichler. Zwar hat Herbrich das Werk nicht extra für diesen Anlass angefertigt, doch es passt perfekt zu diesem Anlass.
Die Verschiedenheit und das Miteinander bringt erst die wahre Schönheit zum Vorschein: So ist es auch in Ottilie Patzelts Werk. Normalerweise macht sie "Wuselbilder mit vielen Figuren und Gegenständen", doch in dieser Ausstellung wartet sie mit einer Überraschung auf: Action Painting. Spritzende Farbkleckse in Orange, Rot und Dunkelblau bedecken die Leinwand. Sie laufen ineinander, überdecken sich gegenseitig, breiten sich in alle Richtungen aus. Sie wirken agil und dominant, aber sie stören sich nicht gegenseitig. Ganz im Gegenteil: Nur zusammen ergeben sie ein Bild - und zwar ein interessantes, das einen sofort in den Bann schlägt und in dem man sich gern als Betrachter verliert.
Ganz leicht und luftig kommt Barbara Kleiber-Wurms Bild daher. Nur mit Büroklammern wird das Papier gehalten - ein Rahmen würde das Werk zerstören. Sie hat versucht, einzelne Töne, die langsam verklingen, festzuhalten. In langen Linien laufen sie nach unten, mal gerade, mal krumm, mal verzweigen sie sich noch einmal. Sie bestimmen das Werk mindestens genauso, wie die Melodie, die im oberen Teil des Bildes in zarten neonroten, orangen und blaugrauen Farben sichtbar wird. Renate Hofer hat indes einen "Dreiklang" aus kräftigem Grün, Rot und Blau erschaffen. Die Farben sind anders als bei Kleiber-Wurm plakativ aufgetragen, laufen ineinander beziehungsweise übereinander.
Bei Carin Szostecki ist die Musik bereits verstummt. Ihr angedeutetes Xylofon aus orange, grün, grau-bemalten Holzlatten trägt zwar ersichtlich eine Melodie, einen Rhythmus in sich. Die Schlägel aus alten Mallappen schweben jedoch darüber, fest an der Decke aufgehängt. "Grubingers Traum" hat sie es genannt. Dabei ist es wohl eher eine Art Albtraum: "Es ist, wie wenn man am Platz festgenagelt ist", erklärt Szostecki. "Man will spielen, aber man kann die Schlägel nicht fassen und verharrt in der Untätigkeit." Grubinger ist ihr Lieblingsperkussionist.
Ins Auge des Betrachters springt sofort die "Pyramide" von Klaus-Peter Kühne. Sie steht nicht nur mitten im Raum, sondern ragt auch hoch hinauf - bunt und leuchtend. Sie ist dreieckig und steht doch stabil. Unten beginnt sie mit dunkler Farbe, die schnell ins strahlende Rot übergeht, dann grün wird, oben an der Spitze zeigt sie verschiedene Blautöne, die von hell bis dunkel changieren. Die Farbwahl erinnert an einen Regenbogen - doch in der Mitte passt es nicht so recht. "Da steht was auf dem Kopf", sagt Kühne. Dort durchbrechen verschiedene Ockertöne und Weiß die erwartete Farbskala. Ist es kulturell gemeint oder politisch? Der Betrachter kann sich so seine Gedanken dazu machen. Auf jeden Fall wollte Kühne mit seiner Pyramide auch auf die Gemeinschaftsaktion anlässlich des Seh am See-Kulturfests im vergangenen Jahr anspielen. Die Karlsfelder Künstler hatten damals eine Spirale aus Pyramiden kreiert, die viel Raum einnahm und ein Blickfang für die Besucher war. "Es hat uns sehr verbunden", sagt Kühne.
Die Ausstellung ist am Samstag und Sonntag, 20. und 21. Juli, jeweils von 14 bis 18 Uhr geöffnet.