Kunstgeschichte:Vertrocknet in brauner Erde

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Joseph Mader war auf dem Weg, ein großer deutscher Maler zu werden. Dann beendeten die Nazis seine Karriere. Maders Enkel Maximilian begab sich auf Spurensuche - und gelangte dabei auch nach Dachau

Von Andreas Förster, Dachau

Der Maler Joseph Mader (1905-1982) ist beinahe völlig in Vergessenheit geraten. Und doch steht hinter dem Namen eine hochinteressante, tiefbewegende Künstlerbiografie. Sie steht stellvertretend für viele Maler aus den frühen 1930er Jahren, die durch die repressive Kunstpolitik während der Zeit des Nationalsozialismus beruflich und nicht selten auch menschlich aus der Bahn geworfen wurden. Der expressive Realismus aus dieser Zeit wird deshalb häufig auch als "Malerei der verschollenen Generation" bezeichnet.

Maders Enkel Maximilian wuchs im Hause seines Großvaters in der Nähe von Moosburg auf. Obwohl ein Jahr nach dessen Tod geboren, war dessen "Geist" für den heute 37-Jährigen quasi allgegenwärtig. "Das Atelier blieb erhalten mit allen Malutensilien und vielen Bildern", erzählt Maximilian Mader. "So bin ich praktisch von Geburt an mit dem Werk meines Großvaters in Berührung gekommen und ganz natürlich in die Welt der Bilder hineingewachsen." Das Haus ist bis heute in Familienbesitz, es wurde im Laufe der Jahre renoviert und zum Doppelhaus ausgebaut. Mittlerweile befindet sich das offizielle Joseph-Mader-Archiv im ersten Stock mit zahllosen Werken aus dem rund 5000 Bilder umfassenden Nachlass sowie Briefwechseln zwischen Mader und Künstlerfreunden und Persönlichkeiten der Kunstgeschichte sowie einer fast 1000 Briefe umfassenden und von den späten 1920ern bis ins Jahr 1982 reichenden Korrespondenz zwischen Joseph Mader und seinem Bruder Anton. "Die fand mein Vater Hans nach dem Tod seines Onkels im Jahr 1995 auf dessen Dachboden", berichtet Maximilian Mader. Die nächsten Jahre verbrachte Hans Mader damit, die in einer schwer leserlichen Kunstschrift verfassten Briefe seines Vaters zu entziffern. Das Archiv ist Teil des Forschungsprojekts "Finding Joseph Mader". Der Titel spielt darauf an, dass dessen Werke heutzutage kaum noch öffentlich zu sehen sind. "Und das, obwohl mein Großvater einst in Deutschland als großes Nachwuchstalent galt und auch viele Museen und Galerien seine Werke besitzen", versichert Maximilian Mader.

Der Maler Joseph Mader in seinem Atelier. (Foto: oh)

Joseph Maders Rolle vor und im Nationalsozialismus soll ein 2021 erscheinendes Buch näher beleuchten, mit dessen Erstellung der Kunsthistoriker Felix Billeter beauftragt wurde und das vom Förderkreis Expressiver Realismus unterstützt wird. Ergänzend dazu plant Mader für 2022 eine Ausstellung mit dem Nachlass seines Großvaters, der seit 1960 auch Mitglied der Künstlervereinigung Dachau war.

Der damalige Leiter der KVD, Karl Huber, und vor allem auch der damalige Kulturreferent, Alfred Kindermann, schätzen seine Bilder und erkennen ihn ihm einen Maler ersten Ranges. Kindermann vermittelte im Laufe der Jahre viele Verkäufe an öffentliche Einrichtungen in Dachau. Die letzte Ausstellung, die Mader erlebte, fand auf Vermittlung von Kindermann im Dezember 1981 im Landratsamt Dachau statt. Den jahrelangen Bezug zur Stadt Dachau nahm die Leiterin des Zweckverbands Museen und Galerien Dachau, Elisabeth Boser, 2014 zum Anlass, eine Ausstellung von 1932 mit Joseph Mader und seinen Künstlerfreunden zu rekonstruieren.

Anlässlich der damaligen Ausstellung vergleicht der berühmte Kunstkritiker Wilhelm Hausenstein Mader sogar mit Max Beckmann; der damals 27-Jährige wird von vielen prominenten Kunstschaffenden wie dem renommierten Galeristen Günther Franke, dem berühmtem Münchner Architekten und Jugendstilkünstler Richard Riemerschmid (1868 - 1957) und dem Verleger Reinhard Piper unterstützt. Doch mit der Machtübernahme der Nazis endet Maders Aufstieg in der deutschen Kunstszene. Frankes Versuche, Mader an progressive Museumsleiter wie Gustav Hartlaub in Mannheim oder Ernst Gosebruch in Essen zu vermitteln, scheitern, da diese von den Nazis aus dem Amt gedrängt werden. Im November 1934 schreibt der Direktor der Berliner Nationalgalerie, Eberhard Hanfstaengl, an Mader: "Es ist mir aufrichtig leid, dass gerade Sie und ein ganzer Kreis junger aufstrebender Künstler in München so wenig Resonanz finden und dass leider auch die Städtische Galerie als Betreuer dieser Dinge ausfällt."

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(Foto: oh)

Lyrische Naturmotive von expressiver Ausdruckskraft sind typisch für Joseph Maders Werk: "Zirkus" in Mischtechnik,...

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..."Hirschkäfer" und...

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..."Junger Stier".

Auch wenn die Ausstellungsmöglichkeiten schwinden, will sich Joseph Mader nicht der Kunstauffassung der neuen Machthaber anpassen. An seinen Bruder schreibt er: "Die Hoffnung, durch die eigene persönliche Arbeit Erfolg zu haben, kann man zunächst unter den gegenwärtigen Umständen ruhig aufgeben. (...) Eine furchtbare Zeit, das Geschehen in ihr von einer unentrinnbaren Zwangsläufigkeit, weil die Menschen insgesamt innerlich arm geworden sind, die Glaubens- und Gestaltungskräfte erloschen sind und deshalb alles der Organisation des Außen sich zuwendet." Der Albrecht-Dürer-Preis wird ihm dennoch 1936 zuerkannt.

Ein besonderes Augenmerk in "Finding Joseph Mader" liegt auf dem Briefwechsel mit dem Bruder. Darin schildert Joseph Mader seine Anfänge als Maler in München, berichtet über seine Schwierigkeiten als unangepasster Künstler während der Nazi-Zeit, lässt in den Briefen der Nachkriegsjahre, als er aufs Land emigriert und sich vom Kunstbetrieb mehr und mehr zurückzieht, die Atmosphäre des für ihn "seelenlosen Neuanfangs" lebendig werden und gewährt einen Einblick in sein künstlerisches Empfinden. Abseits der Großstadt findet er zu einer vom Kubismus geprägten lyrischen Malerei: stille Bilder von großer Eindringlichkeit, die von intensiven Naturerlebnissen geprägt sind. Nach dem Krieg beteiligt er sich als Mitglied der Neuen Münchner Künstlergenossenschaft regelmäßig an der Großen Kunstausstellung. 1955 widmet ihm das Lenbachhaus eine Kollektivausstellung; 1960 tritt er auf Einladung des damaligen Leiters Karl Huber der Künstlervereinigung Dachau (KVD) bei. Ein Schlaganfall 1961 schwächt seine Gesundheit nachhaltig. 1963 erhält er den "Seerosenpreis" der Stadt München. Am 27. Mai 1982 stirbt er in seiner Vaterstadt Landshut.

Maximilian Mader erforscht die Geschichte seines Großvaters, des Malers Joseph Mader. Dazu gehören auch Nachforschungen über die Werke des Expressionisten und ihres Verbleibs. (Foto: Toni Heigl)

Zahlreiche Institutionen besitzen heute Bilder von Joseph Mader, darunter das Münchner Lenbachhaus, das ihm 1955 eine Kollektivausstellung widmete; die Staatliche Graphische Sammlung, die Bayerischen Staatsgemäldesammlung, das Landratsamt, die Stadt und die Stadtsparkasse Dachau. Diese sind allerdings nicht öffentlich ausgestellt. Drei Bilder aus seinem Frühwerk hängen in der ständigen Ausstellung in der Gemäldegalerie Dachau. Für die Leiterin, Elisabeth Boser, gehört Mader zu der "verschollenen Generation, die heute zu Unrecht vergessen ist".

Das Magazin kann man bestellen über info@joseph-mader.de. Preis sechs Euro zuzüglich Versandkosten von 1,55 Euro.

© SZ vom 02.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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