Kunst von Günther Uecker:Den Nagel auf den Kopf

Kunst von Günther Uecker: Das Nagelkreuz schuf Günther Uecker 2017 im Jubiläumsjahr der Reformation, inspiriert vom legendären Thesenanschlag Martin Luthers an die Wittenberger Schlosskirche.

Das Nagelkreuz schuf Günther Uecker 2017 im Jubiläumsjahr der Reformation, inspiriert vom legendären Thesenanschlag Martin Luthers an die Wittenberger Schlosskirche.

(Foto: Toni Heigl)

Josef Lochner stellt in seiner Galerie in der Dachauer Altstadt den nächsten großen Gegenwartskünstler aus. Er hat plastische und grafische Werke von Günther Uecker zusammen getragen. Darunter Objekte mit den typischen Metallstiften

Von Gregor Schiegl, Dachau

Die Aufführung seines "Terrororchesters" in der Kunsthalle Baden-Baden, einer lärmenden Installation aus diversen Maschinen, Staubsaugern, einer Wäschetrommel sowie Hammer und Sichel, erregte in den Sechzigerjahren bundesweit Aufsehen. Bekannt geworden ist der Maler und Objektkünstler Günther Uecker aber vor allem durch seine genagelten Reliefs. Am Kunstmarkt sind sie mittlerweile so begehrt, dass manche dieser Werke Preise von einer halben Million Euro oder mehr erzielen. Nun ist eine kleine Auswahl von Günther Ueckers Arbeiten auch in der kleinen, aber feinen Galerie Lochner in der Dachauer Altstadt zu sehen - und zu kaufen, sofern man es sich leisten kann.

Die erste Ausstellung in der neu eröffneten Galerie war dem neo-expressionistischen Malerfürst Markus Lüpertz und seiner Serie "Sternzeichen" gewidmet gewesen. Mit Uecker folgt das zweite Schwergewicht der Kunst - was kein Zufall ist. "Wir wollen hier international bekannte Künstler ausstellen", sagt der Dachauer Galerist und Kunst-Fan Josef Lochner. Das größte Objekt der Ausstellung ist in etwa so groß wie Josef Lochner selbst: Ein 1,77 Meter großer Nagel steht auf dem Kopf, die vierkantige Spitze ragt senkrecht empor. Ein guter Blickfang: Der Nagel ist Ueckers Markenzeichen. Er dient ihm gleichermaßen als Pinsel und Werkstoff für seine skulpturalen Werke. Sogar Möbeln oder Fernsehern hat er schon anmutige Pelze aus Nägeln verpasst. "Wenn Sie meine Arbeiten sehen, werden Sie bemerken, dass diese durch das Licht ihre Wirklichkeit erhalten", erklärte Günther Uecker einmal. "Ihre Intensität ist durch das einwirkende Licht wandelbar und vom Standort des Betrachters veränderlich. Diese Objekte fordern Ihre Aktivität heraus und erhalten dadurch ihre Lebendigkeit."

Uecker gehörte in der Nachkriegszeit der Düsseldorfer Künstlergruppe "Zero" an: Die Mitglieder suchten einen neuen Anfang, eine "Stunde Null", die den Gräueln der NS-Vergangenheit eine reinere, heilere Welt entgegensetzen sollte. In diesem idealistischen Geiste muss man die Werke Ueckers betrachten. Nicht selten befassen sie sich mit politischen Themen - im "Aschebild" verarbeitete Uecker zum Beispiel den Reaktorunfall von Tschernobyl. Doch provokant oder gar aggressiv ist Uecker in seiner lyrischen Bildsprache nie.

Zu sehen sind in der Galerie Lochner auch Prägedrucke wie die "Doppelspirale" von 2018, Unikate auf Papier und Druckgrafiken, auch grafische Arbeiten aus der Reihe "Huldigung an Hafez". Darin überträgt Uecker die poetische Sprache der Verse des persischen Dichters Hafez in von Farbe und Rhythmus geprägte Motive, die mal aussehen wie Blumen, mal wie kalligrafische Schriftzeichen. "Allein damit könnte man eine ganze Ausstellung bestreiten", sagt Galerist Josef Lochner. Die komplette Serie umfasst 42 Blätter - mehr als genug Kunstmasse für eine kleine Galerie mit gerade mal 50 Quadratmetern Fläche. Stattdessen zeigt die Ausstellung einen Querschnitt, der einen guten Einblick in das vielfältige Schaffen Ueckers gibt. Dass das Resultat stimmig und harmonisch wirkt, liegt an den erfahrenen Ausstellungsmachern: an Josef Lochner und seinen nicht minder kunstfertigen Helfern Gerhard Niedermair und Dieter Rothe.

Ausgewählt wurde, "was uns gefällt und was wir zeigen wollen", sagt Josef Lochner. Dazu gehören die "Optischen Partituren", in denen Uecker Musik visualisiert: Tuscheartige Linien tanzen über Büttenpapier, bündeln sich in schwarzen Punkten, dazwischen drückt sich ein Relief weißer Punkte durchs Blatt. Lochner legt dazu gerne klassische Musik auf. Ueckers Werke bestechen ja auch durch eine besondere Musikalität, durch rhythmische Harmonie, einen Takt, eine harmonische Ordnung, die im Detail chaotisch wirken mag wie im blau-schwarzen Punkt-Klecks-Gewirr seiner "Strömung", im Gesamten jedoch eine perfekt strukturierte Einheit bilden.

Eines seiner schönsten Werke in dieser Ausstellung ist das Nagelkreuz, eine 45 Zentimeter hohe handpatinierte Bronzeskulptur. Mit gezielten Schlägen hat der Künstler ein in ein Tuch gehülltes Holzkreuz bearbeitet, nach dessen Ebenbild die Bronze gegossen wurde. Die Textur des Stoffes bildet sich in der Bronze ebenso detailliert ab wie die Maserung des Holzes und die Feinheiten der verbogenen Nägel, die sich wie eine Dornenkrone um das Kreuz ranken, Sinnbild der Verletzung des Menschen durch den Menschen.

Am ersten Ausstellungswochenende haben schon viele Besucher die Werke bewundern können. Sogar ein Paar aus Taiwan, Derek und Josephine, haben hier eine kurzweilige halbe Stunde verbracht. Im Gästebuch haben sie sich mit den Worten verewigt: "Wir sind glücklich, diese schöne Galerie mit ihren großartigen Werken gefunden zu haben." Recht haben die beiden.

Günther Uecker. Ausstellung in der Galerie Lochner, Konrad-Adenauer-Straße 7. Öffnungszeiten: Donnerstag, 16 bis 19 Uhr, Samstag, 12 bis 15 Uhr, Sonntag, 14 bis 17 Uhr. Zu sehen bis 26. Mai.

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