Kulturschranne Dachau:Liebhaber in allen Gassen

Das Hoftheater Bergkirchen amüsiert sein Publikum mit Beziehungskisten. Die szenische Lesung lässt Literaten aus zwei Jahrtausenden zu Wort kommen und wird mit Schlagermusik hübsch garniert.

Dorothea Friedrich

- "Die Liebe ist ein seltsames Spiel", stellte in den verklemmten 1950er Jahren Connie Francis fest. "Verliebt, verlobt, verheiratet", war rein schlagermäßig der sehnlichste Wunsch von Cornelia Froboess und Peter Alexander. "Que sera", fragte mit blonder, hochtoupierter und festgetackerter Haarpracht die ewige propere Hausfrau Doris Day im Hitchcock-Thriller "Der Mann, der zu viel wusste". Mag sein, dass inzwischen mancher Mann (oder manche Frau) von sich glaubt, zu viel über die Liebe zu wissen - und dann zum Hedonisten, Zyniker à la Don Giovanni oder zur Feuchtgebiete-Erforscherin im Stil von Charlotte Roche wird.

Janet Bens, Ansgar Wilk und Herbert Müller vom Hoftheater Bergkirchen machen sich in einer szenischen Lesung auf die Suche nach Antworten. "Beziehungskisten und andere Versuche, das Liebes- und Eheleben zu meistern, nur nicht, was gut ist gegen Nord- oder Südwind" nennen sie etwas kryptisch ihre heiter-melancholische Wanderung durch die Gefilde von Literatur und Poesie zum Thema Nummer eins. Zu ihren Wegbegleitern gehörten Ovid, Frank Wedekind, Amelie Fried und Peter Probst, Kurt Tucholsky, Joachim Ringelnatz, Wilhelm Busch, Kurt Goetz, Bertold Brecht, Mascha Kaleko, Johann Wolfgang von Goethe, Jean Bapiste Molière, Georg Büchner, Rainer Maria Rilke und Dario Fo. Eine erlesene Gesellschaft aus zwei Jahrtausenden Literaturgeschichte also, die auch musikalisch einige Ansprüche stellt. Die werden erfüllt - aber anders, als man erwartet. Die Schlagerstars der 1950er und 1960er Jahre haben per CD-Einspielung ihren großen Auftritt und bilden mit ihren Texten voller hochprozentigem Kitsch einen herrlichen Kontrast zum Zynismus eines Kurt Tucholsky, zur gepflegten Absurdität von Dario Fo, zum im besten Sinne emanzipierten Spott von Mascha Kaleko, zur Bitternis von Bertold Brecht oder zum doch manchmal nach heutigen Maßstäben leicht herablassend klingenden Goethe. Dessen "Liebhaber in allen Gestalten" etwa mutiert bei Herbert Müller - freiwillig? - zum "Liebhaber in allen Gassen" und ist entweder nur in Müllers wahnwitzigem Stakkato ein Genuss oder in der entzückenden Vertonung von Franz Schubert - Dichterbolide hin oder her.

Eine Flaute gibt es zu keiner Minute. Dafür sorgten Janet Bens, Ansgar Wilk und Herbert Müller mit komödiantischer Spielfreude oder ernsthafter Nachdenklichkeit. Schließlich gibt Wilk mit einem Ovid-Zitat aus dessen "Kunst der Liebe" das Leitmotiv dieses Kaleidoskops der erfüllten und unerfüllten Sehnsüchte bereits zu Beginn vor: "Kunst ist der Liebe Pilot". Da kann durchaus Mitleid mit dem bedauernswerten, lebensüberdrüssigen Traumprinzen Leonce aus Büchners "Leonce und Lena" aufkommen, weil der glaubt: "Eine sterbende Liebe ist schöner als eine werdende".

"Beziehungskisten und andere Versuche" wird am heutigen Mittwoch und am 28. November jeweils um 20 Uhr in der Dachauer Schranne gespielt; Kartenreservierung unter Telefon 08131/32 64 00.

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