Süddeutsche Zeitung

Kultur in Dachau:Shopping-Lust und lügende Spiegel

Lesezeit: 3 min

Nach vielen Monaten Stubnmusi haben die Wellküren ihr Dachauer Publikum jetzt mit ihrem neuen Programm "Es werd scho wieda" begeistert. Burgi, Moni und Bärbi Well kennen eben das Lebensgefühl ihrer Zuschauer

Von Renate Zauscher, Dachau

"Es werd scho wieda!" Das jedenfalls ist die Botschaft, die die Wellküren für ihr Publikum haben. Den eigenen Beweis dafür, dass alles wieder irgendwie ins Lot kommen wird, traten Moni, Burgi und Bärbi Well am Sonntag an: Bei zwei Vorstellungen in vorerst noch coronabedingt kleinem Kreis präsentierten sie im Thoma-Haus ein Programm, das so spritzig und frech ist, wie man es von ihnen von je her kennt. Abgesehen von einem verregneten Open-Air-Auftritt in München bildete die sonntägliche Matinee in Dachau den Auftakt für die weitere Rückkehr der Wellküren auf die Bühne in den kommenden Monaten.

Ohne Zweifel: Viele Künstler, die von und mit ihrem Publikum leben und leben müssen, sind in den vergangenen zwanzig Monaten von den Zeitläufen arg gebeutelt worden. Zwar habe sich die Zeit des Lockdowns wie ein "eineinhalbjähriges Berufsverbot" angefühlt, sagen die Well-Schwestern, aber die Pandemie bot ihnen auch eine hervorragend nutzbare Steilvorlage für ihr neues Programm. Alles kommt darin vor: die Unsicherheit, wie das Leben weitergeht, die verführerische Lust am innerfamiliären Rundumschlag, die "steigenden Inzidenzwerte häuslicher Depressionen" und das Zurückgeworfensein auf Home-Office, Home-Schooling oder, wie im konkreten Fall, auf die "Stubnmusi" im wörtlichen Sinn.

Sarkastisch schon der Einstieg ins Programm: Sie seien "nicht nur finanziell sondern auch moralisch voll unterstützt worden", erzählen Burgi, Moni und Bärbi Well den rund 40 Zuhörern und Zuhörerinnen im Saal. Und sie hätten "immer gewusst", wann sie wieder auftreten dürfen, versichern sie.

Mit ihren Texten sind die Wellküren so wie in früheren Zeiten auch diesmal ganz nah am Lebensgefühl ihres Publikums. Dann etwa, wenn sie sich darüber lustig machen, wie sehr ihnen das richtige Shopping-Erlebnis gefehlt habe. Sie besingen die Lust des Online-Kaufrauschs, das prickelnde Gefühl, wenn Rock und Bluse, Gürtel und Schuhe in den Warenkorb wandern - und den Frust am Ende, wenn "der ganze Scheiß" nicht passt und retour geschickt, vernichtet wird.

Viele kennen auch das Problem, wenn der Partner entweder ständig spazieren gehen will, sein Mittagessen, so wie sonst in der Kantine, Punkt zwölf auf dem Tisch erwartet. Oder wenn er insgesamt immer grantiger und "zwiderer" wird. Da erweist sich schließlich sogar die Vision seines Abschieds aus der häuslichen Gemeinschaft nur noch als schöner Traum einer männerlosen Freiheit.

Das Thema coronabedingter Befindlichkeiten ist der eine Strang, der sich durch das neue Programm der Wellküren zieht - die Höhen und Tiefen der bayerischen Politik der andere. Da geht es dann, wie könnte es anders sein, um "Markus, den Erlöser", der sich zwar im Kampf gegen das Virus aufopfert, dann aber tatsächlich glaubt, dass "bei den sieben Zwergen, hinter den sieben Bergen" ganz wie im Märchen noch höhere Ziele auf ihn warten. Und der schließlich einsehen muss, dass der "Spiegel", in dem er immer wieder nur sich selbst sieht, vielleicht doch "gelogen hat" und dass es aus dem "Auffahren in den Himmel Berlins" nichts werden wird.

Aber egal, ob "teuflische Mutanten" Markus, den "Erlöser" plagen, oder "der Seehofer" ihm selber zusetzt: "Auf geht's mit uns nach Walhall", dichten die Wellküren in ihrem spöttischen Lobgesang auf den Bayerischen Ministerpräsidenten und vergleichen seine Weltraumfantasien mit denen eines Jeff Bezos' oder Elon Musks.

Eineinhalb Jahre sind die Wellküren seit ihrem "Berufsverbot" nun älter geworden - und auch diese Erfahrung greifen die Schwestern auf. Noch einmal 20, 30 oder 60 sein? Nein danke, sagen Burgi, Moni und Bärbi Well trotzig - auch dann, wenn sie in ihren eigenen Spiegel schauen. "Des da, des bin ich!", rufen sie.

Und dieses Ich, das ist bei den drei Well-Schwestern nach wie vor ein mitreißend musikalisches. Immer wieder wechseln die Instrumente: Harfe, Gitarre und Hackbrett kommen ebenso zum Einsatz wie verschiedene Blasinstrumente. Und als die Wellküren auch noch "La Paloma" auf ihren kreischenden "Nonnentrompeten" anstimmen, ist der Jubel im Saal groß. Auch kleines Publikum kann sich von der Stimmung auf der Bühne anstecken lassen und das zurückgeben, was Bühnenkünstler ebenso wie die geplagte Corona-Gesellschaft insgesamt brauchen: Das Gefühl, dass alles schon wieder "irgendwie wird".

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SZ vom 14.06.2021
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