Süddeutsche Zeitung

Kultur in Dachau:Die Kakerlaken-Mafia auf der Almwiese

Mit sehr kleinen Akteuren und großer Fantasie beginnen die Dachauer Theatertage. Das Publikum ist begeistert von komischen Dialogen und Wortspielen

Von Felix von den Hoff, Dachau

Vor einem Jahr sind die Tränen geflossen, doch am Sonntagabend konnte man im Ludwig-Thoma-Haus nur strahlende Gesichter erblicken. Die 22. Dachauer Theatertage haben begonnen und es ist wohl nicht zu befürchten, dass sie ein weiteres Mal abgebrochen werden müssen. Nachdem im vergangenen Jahr viele Vorstellungen kurzfristig ausfielen, findet die Veranstaltungsreihe, die unter dem Motto "für Kinder, Jugendliche und Erwachsene" steht, in diesem Jahr vom 10. bis 13. Oktober und 7. bis 19. November im Ludwig-Thoma-Haus und der Friedenskirche Dachau statt.

Von Frank Striegler 1999 ins Leben gerufen, haben die Dachauer Theatertage das Ziel, das Kinder- und Jugendtheater in Dachau zu fördern, dabei aber nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch deren Eltern an Musik und Theater heranzuführen. Auch in diesem Jahr ist das Programm wieder vielfältig: Von Puppenspiel bis Musikkabarett und Comedy ist für jeden etwas dabei. Neben anderen Veranstaltungen stehen eine Geschichte vom Räuber Hotzenplotz (14. November) und eine etwas andere Version des Rotkäppchens am 7. und 8. November auf dem Plan. Gespannt sein, darf man aber auch auf "Märchen Comedy" und das "Concerto Humoroso" zum Abschluss der Dachauer Theatertage am 19. November. Und das bereits international präsentierte Schattentheater von Peter Müller "Königs Weltreise" verspricht ebenfalls ein beeindruckender Abend zu werden. Es ist am 16. November. Noch gibt es Karten für einige Veranstaltungen - allerdings nur wenige.

Heinz-Josef Braun, Stefan Murr und Johanna Bittenbinder haben jetzt den Auftakt gemacht mit ihrem Stück "Käfer Mary und die Kakerlaken-Mafia", das am Sonntagabend im Ludwig-Thoma-Haus die 22. Dachauer Theatertage eröffnete. In der sechzigminütigen Aufführung erzählen sie auf Bayrisch die spannende und zugleich lustige Geschichte von Käfer Mary und ihren Freunden, dem Grashüpfer Hubsi, Mistkäfer Erwin und Totengräberkäfer Boandl und von dem wuseligen Alltag der kleinen Protagonisten des Stücks. In der Tankstelle von Mary und dem angrenzenden Restaurant summt und brummt es nur so. Zwischen wilden Tanzeinlagen bei lauter Musik aus dem Radio trinken die Bewohner der Almwiese eine Nektarschorle. Nachdem der unheimliche Joe Kakerlake samt Gefolgschaft auftaucht und die ganze Almwiese unter seine Kontrolle zu bringen versucht, wittert Mary, dass etwas nicht stimmt. Um dem auf den Grund zu gehen, macht sie sich nun auf den Weg durch eine wunderbar lebhaft und fantasievoll dargestellte Welt.

Mit viel Witz und einer unglaublichen Stimmenvielfalt verstehen es die drei Schauspieler, ihr Publikum in das Leben auf der Almwiese mitzunehmen und die unzähligen Charaktere mit einer einzigartigen Mimik, Gestik und Vertonung lebendig erscheinen zu lassen. Dabei fungiert vor allem die Musik als Verbindungsglied. Schon zu Beginn kündigt Stefan Murr an: "Bei uns darf man ganz viel mitmachen und mit den Masken muss man besonders laut singen." So wechselt die Rolle des Publikums nach kurzer Anleitung ständig von der örtlichen Schneckenpolizei zu einem Schwarm von Eintagsfliegen, dann zu Riesenkakerlaken. Und spätestens, als die Zuschauer unter der musikalischen Begleitung von Heinz-Josef Braun den Insektenhit "Hupf Baby, Hupf" anstimmen, machen wirklich alle mit - Jung und Alt.

In einer Geschichte, "in der die Akteure sehr klein, die Fantasie aber sehr groß ist", nehmen Braun, Murr und Bittenbinder jeden Zuschauer mit in eine so lebhaft beschriebene Welt, dass die Tankstelle, das Restaurant und ihre Bewohner wie vor den eigenen Augen erscheinen. Voller lustiger Einfälle lacht so immer wieder das ganze Publikum und spendet auch schon während des Stücks viel Applaus. Vor allem die komischen Dialoge mit jeder Menge Witz und Wortspielen, wie zum Beispiel beim Auftritt von Helene Silberfischerl, sind auch für die Erwachsenen Zuschauer wie angekündigt ein echtes Vergnügen.

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Quelle:
SZ vom 12.10.2021
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