Kultur in Dachau:Aufbruchsstimmung

In das ehemalige Atelier des verstorbenen Künstlers Thomas Vesely sind drei neue Künstlerinnen gezogen und mit ihnen erwacht die Kleine Moosschwaige zu neuem Leben. Auf der Jahresausstellung sind auch Bilder einer verstorbenen Künstlerin zu sehen

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

Der Himmel hängt schwer über der Kleinen Moosschwaige, es ist ein klassischer Novembertag, grau und regnerisch. Doch die Melancholie, die sie im vergangenen Jahr zu dieser Zeit umgab, wenn ihre Ateliers traditionsgemäß die Türen für Besucher öffnen, ist einer warmen Aufbruchsstimmung gewichen. Im vergangenen November stand das ehemalige Atelier des 2017 verstorbenen Künstlers Thomas Vesely leer, nun strahlt Licht aus den Fenstern, denn drei Künstlerinnen sind jüngst hier eingezogen.

Claudia Flach steckt noch mitten im Umzug. Im Innern ihrer Werkstatt riecht es ganz neu, nach Farbe und etwas anderem - "das Erdige, das ist das Keramik", sagt sie. Groß ist der Raum nicht, mit einem Schritt um die Ecke steht man direkt vor dem riesigen Töpferofen. Daneben lauter leere Regale, die bis zur Ausstellung am Wochenende alle noch gefüllt werden sollen, ein Arbeitsplatz und natürlich das Herzstück der Keramikerin: die große Drehscheibe, von der sie jetzt noch einzelne Kartons räumt, eine Lampe wegstellt. Sobald die läuft, beginnt die Arbeit in neuer Umgebung. Im Sommer, wenn das Wetter nicht mehr so grau ist, möchte Claudia Flach im Garten Kurse anbieten, in denen man sich zum gemeinsamen Töpfern treffen kann.

Kultur in Dachau: Markus Schmetz zeigt Bilder seiner verstorbenen Frau, der farbverliebten Künstlerin gigi.

Markus Schmetz zeigt Bilder seiner verstorbenen Frau, der farbverliebten Künstlerin gigi.

(Foto: Toni Heigl)

Die Kleine Moosschwaige ist seit jeher ein Ort der künstlerischen Begegnung, und an diesen Tagen ist es, als könne man diesen Geist wieder neu entdecken. Es wirkt eine Atmosphäre herzlicher Nachbarschaft, man besucht sich, man tauscht sich aus. Auch Karin Schuff und Margot Krottenthaler, die neuen Bewohnerinnen des oberen Stockwerkes, möchten den Platz nicht allein für ihr kreatives Schaffen nutzen, sondern auch Workshops und Lesungen veranstalten.

Ihr Atelier erstreckt sich über das gesamte obere Stockwerk, in das sie im Juli gemeinsam eingezogen sind. Margot Krottenthaler ist an diesem Tag nicht da, aber auf dem Boden liegen ein paar ihrer neusten Zeichnungen und Radierungen zwischen Pergamentpapier, daneben ein Block mit Acrylpapier, in der Mitte des Raumes ein großer, voller Schreibtisch. Ganz hell ist der Raum, was an der Beleuchtung liegt, an den großen Fenstern, aber vielleicht auch an dem vielen Weiß und hellen Holz an Decke und Wänden. Ein paar Bilder hatte Krottenthaler bereits gerahmt und aufgehängt, durch die anderen blättert Karin Schuff nun vorsichtig durch. Die beiden Künstlerinnen hatten sich gemeinsam für das Atelier beworben, kennengelernt haben sie sich durch die Dachauer Künstlervereinigung.

Kultur in Dachau: Margot Krottenthaler stellt Zeichnungen und Radierungen aus.

Margot Krottenthaler stellt Zeichnungen und Radierungen aus.

(Foto: Toni Heigl)

Karin Schuff arbeitet im oberen Bereich des Ateliers: "Ich male mit Öl, das stinkt." Davon merkt man gerade nichts, vielleicht, weil die Künstlerin aktuell am meisten mit Acryl arbeitet - auf Papier, seit kurzem aber auch auf Holz und Glas. Auf einer Staffelei steht eines ihrer neueren Werke, dicke Linien in grau und blau. Karin Schuff malt nicht gegenständlich, sie hat nie ein Bild als Vorlage im Kopf. Als sie dieses Werk mit einer Winterlandschaft vergleicht, spricht sie von "Landschaftsgefühlen", dem Moment im Zug, wenn die Landschaft an einem vorbeirast. Gerade umgibt die farbgetränkten Tücher auf dem Boden, die bunten Tuben und Töpfe zarter Jazz, den sie laut aufdrehen wird, sobald sie wieder alleine ist.

Ein paar Türen weiter dreht Florian Marschall den Regler seiner Stereoanlage nach unten, bevor er zu erzählen beginnt. Viel Neues gebe es bei ihm in diesem Jahr nicht, stattdessen hat der Künstler ein paar alte Schätze "aus der Schublade" geholt. Marschall war im vergangenen Jahr in die Jubiläumsausstellung "Raus" der Künstlervereinigung stark eingebunden. Dafür hatte er an einem Video gearbeitet, jeden Frame einzeln gezeichnet: Über 300 Einzelzeichnungen für rund 18 Sekunden Film. An seiner Wand hängen nun ein paar einzelne Zeichnungen und bei der Ausstellung am Wochenende wird er das Video an die weiße Holzdecke projizieren.

Kultur in Dachau: Florian Marschall hat ein paar alte Schätze "aus der Schublade" geholt.

Florian Marschall hat ein paar alte Schätze "aus der Schublade" geholt.

(Foto: Toni Heigl)

Das Atelier nebenan wird an diesem Wochenende geschlossen bleiben. Gebhard Schmidl wohnt dort, vor kurzem ist er 88 Jahre alt geworden. Doch die Kraft für die Ausstellung fehlt, so erzählen es seine Nachbarn. Bereits im letzten Jahr hatte der Künstler keine Besucher zur Jahresausstellung empfangen.

Damals hatte Michael Schmetz die Tür zum Wohnatelier von ihm und seiner verstorbenen Frau, der Dachauer Künstlerin gigi, geöffnet, doch eine Ausstellung hatte es nicht gegeben. Alles war so, wie es die Künstlerin nach ihrem Tod zurückgelassen hatte. Schmetz war im vergangenen Jahr viel unterwegs, erzählt er, und als nun etwas Ruhe einkehrte, fing er an mit den ersten Veränderungen. Aus dem Atelier springen immer noch die vielen Werke der Künstlerin in ins Auge - rund 50 Exponate enthält ihr Nachlass.

Doch Schmetz hat sie nun neu sortiert. Eines der dunkelsten Bilder hat er außer Sichtweite, ganz weit nach hinten gestellt. An seiner Stelle hängen nun Gemälde in sonnigem Gelb, darauf zwei Figuren. "Das andere Bild, das habe ich nie gemocht", sagt Schmetz. Seine Lieblingsbilder, das seien die gelben, sonnigen. Er zeigt auch auf eines, das er über das Sofa gehängt hat - auch das in bunten Farben: "Was die Kritik später über sie schrieb, daran hat sie vorher nie gedacht. Gigi hat einfach nach ihren Emotionen gemalt, aus jeder Stimmung konnte sie ein Bild entstehen lassen." Rund zehn Jahre hatte gigi mit ihrer Krankheit gekämpft, gewusst hätten das nur wenige, doch mit den Jahren seien unter ihren Bildern immer mehr dunkle gewesen als früher, erzählt Schmetz. Auch deswegen steht nun das Düstere dort, wo man es nicht mehr sehen kann. Er möchte, dass das Atelier wieder luftiger, fröhlicher ist, und damit der Erinnerung an seine Frau gerecht wird: die an eine starke, farbverliebte Malerin.

Für die Jahresausstellung der Kleinen Moosschwaige öffnen die Ateliers am ersten Adventswochenende ihre Türen. Beginn ist am Freitag, den 29. November ab 11 Uhr, Samstag und Sonntag haben sie von 13 bis 18 Uhr geöffnet.

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