Kultur in Bergkirchen:Flimmern und Schimmern

Frau Luna

Auf dem Mond herrscht mehr Betrieb als derzeit hier auf der Erde.

(Foto: Hoftheater)

Dem Ensemble des Hoftheaters zeigt bei der Online-Premiere von "Frau Luna" entfesselte Spielfreude. Doch ein Monitor kann das Live-Erlebnis nicht ersetzen

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

"Schlösser, die im Monde liegen" ist einer der bekanntesten Songs von Paul Lincke aus seiner Erfolgsoperette "Frau Luna". Für Kulturschaffende sind Auftritte mit Publikum derzeit solche Traumschlösser. Doch für das Hoftheater Bergkirchen ist am vergangenen Sonntag der Traum wahr geworden: Mit der lang ersehnten Premiere der hauseigenen Version von "Frau Luna" per Video-Stream. Regisseur Herbert Müller hat die turbulente Fassung der Berliner "Bar jeder Vernunft" auf 80 Minuten zurecht gestutzt, und Ulrike Beckers hat mit viel Lichterglanz und einem herrlich absurden Fortbewegungsmittel mal erdverhaftete mal mondsüchtige Stimmung gezaubert. Die Initiative "Spotlight on dahoam" (www.spotlight-on-dahoam.de) hat die Produktion und Übertragung ermöglicht.

Wiener Walzer-Seligkeit ist in einer Berliner Operette eher nicht gefragt. Hier treffen die so ätherisch daherkommende Power-Lady Frau Luna und die sich in unerfüllter Liebe verzehrende Bissgurk'n Frau Pusebach (beide Janet Bens) auf den pfiffigen Mechaniker Fritz Steppke und den nicht wirklich adeligen Prinzen Sternschnuppe (beide Tobias Zeitz). Das naive Mariechen und die mit ihren Reizen nicht geizende Mondfee Stella (beide Annalena Lipp) haben es dagegen mit dem hilfsbereiten Schneider Lämmermeier und dem gestrengen Haushofmeister Theophil (beide Ansgar Wilk) zu tun. Wie, wo, warum, das zeigen die vier Darsteller sowie die beiden Kulissenschieber, Erna und Emil (Frederike Hartung und Johannes Heubner, die ihren Bundesfreiwilligendienst Kultur im Hoftheater absolvieren) mit Witz, ansteckender Begeisterung und in einem wahnwitzigen Tempo. Weil die mit Stock und Kapotthut bewaffnete Frau Pusebach endlich die ausstehende Miete von Fritz kassieren will, flieht der kurzerhand in seinem Stratosphärenexpressballon - mit Schneider Lämmermeier als freiwilligem und der Pusebach als unfreiwilligem Passagier - und landet auf dem Mond. Dort tobt ein buntes Völkchen unter der gestrengen Aufsicht von Haushofmeister Theophil durch die mystische Landschaft. Theophil entspricht genau dem Beuteschema von Mondfee Stella, ist aber selbst diversen Ausflügen auf die Erde nicht abgeneigt. Prinz Sternschnuppe ist seit 300 Jahren scharf auf Frau Luna, bringt ihr singend und ganz Pavarotti-like "bunte duft'ge Blumen". Vergebliche Liebesmüh, denn die Dame mit dem wallenden Blondhaar und dem Glitzergewand hat mehr als ein Auge auf Mechaniker Steppke geworfen. Frau Pusebach erkennt in Theophil den vor Jahren abhanden gekommenen Liebhaber wieder. Um das Tohuwabohu komplett zu machen, schwirrt auch noch das Bodenpersonal in Person diverser Glühwürmchen, die songgerecht "flimmern und schimmern" sowie etlicher Mondelfen durch die Nacht. Sie singen all die Melodien, die diese Operette so lebensfroh machen und tanzen, dass es eine Lust ist.

Was für den Zuschauer erst einmal ein zum Brüllen komisches Verwirrspiel ist, scheint für die musikalische Leiterin Anna Nam-Winkler eine Fingerübung zu sein. Vom Flügel aus hat sie ihre Frauen und Männer fest im Griff. Sind ja auch nur vier und nicht gefühlte vierzig, die sich da mit affenartiger Geschwindigkeit immer wieder hin- und her verwandeln, die selbst am heimischen Monitor ihre Glücksgefühle spüren lassen, endlich wieder auf der Bühne stehen zu können. Sie berlinern mit Wonne, schmachten mal diesen mal jenen an und machen aus diesem Operettenmärchen ein echtes seelisches Heilmittel in Corona-Zeiten. Fürs leibliche Wohl hat Frau Pusebach noch eine handfeste Empfehlung: "eine Schmalzstulle zwischen de Kauleiste". Janet Bens, alias Frau Pusebach, hat ihren Kolleginnen und Kollegen übrigens die Feinheiten des Berliner Dialekts vermittelt, ist sie doch selbst Berlinerin. Ansgar Wilk, gebürtiger Schwarzwälder, hat dagegen seinen Theodor nach Herzenslust schwäbeln lassen - was immer wieder für Heiterkeitsausbrüche vor dem heimischen Monitor sorgte. Wie überhaupt beim Zuschauen und Mitsummen das Hoftheater-Publikum schmerzlich vermisst wurde. Es fehlen die Lacher, es fehlt der Applaus, es fehlt einfach die Theater-Stimmung. Das sagte auch Janet Bens am Telefon. "Für uns war es eine ganz neue Art von Premiere. Wir waren heilfroh, dass wir das machen konnten. Das hat uns Kraft gegeben und uns in diesen Zeiten psychisch geholfen."

Wie "Frau Luna in der Bühnenrealität wirkt, lässt sich am Samstag, 15. Mai, (hoffentlich) bei der Live-Premiere (um 17 Uhr und um 20 Uhr) im Hoftheater Bergkirchen erleben.

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