Bei einem Spaziergang über das Kult-Festival am letzten Abend der fünftägigen Veranstaltung auf der Ludwig-Thoma-Wiese in Dachau wird schnell offensichtlich, warum sowohl die jüngere als auch die ältere Generation sichtlich Spaß hat an diesem Ort: Die Mischung des Programms ist wohlbedacht und abgestimmt, eine große Auswahl an Ständen für Aktivitäten, zur Verköstigung oder für ein entspanntes Treffen mit Freunden oder Familie stehen bereit. Auf drei Bühnen finden Konzerte von Musikern unterschiedlicher Genres statt. Kinder und Jugendliche können in Workshops wie der Druckwerkstatt den Linoldruck auf T-Shirts bestaunen und lernen, sich in der Mal- und Graffitikunst an einer weißen Wand oder auf Papier versuchen oder die Schmiede-Werkstatt besuchen. Informationsstände zu gesellschaftlichen Themen sind auch zu finden, ob zum Wildtierschutz oder zur Obdachlosenhilfe.
Am Stand des Runden Tisches gegen Rassismus fordert eine kreative Idee Jung und Alt zum Gespräch heraus: Eine hölzerne Drehscheibe mit abwechselnd freundlichen und traurigen Gesichtern nebeneinander soll von den Interessierten gedreht werden. Je nach dem, wo das Drehkreuz stehen bleibt, sollen persönliche negative oder positive Erfahrungen oder Beobachtungen aus dem Alltag geschildert werden. Ein Festivals des Dialogs.
Rund 10 000 Besucher kommen zum Kult-Festival innerhalb von fünf Tagen.
(Foto: Niels P. Jørgensen)An Graffiti-Wänden kann man sich mit bunten Sprühdosen ausprobieren.
(Foto: Niels P. Jørgensen)Zum Auftakt singt Michelle Billingsley aus Chicago in der Sonderbar.
(Foto: Niels P. Jørgensen)Für Kinder und Jugendliche gibt es viele Mitmachaktionen.
(Foto: Niels P. Jørgensen)Dass diese Veranstaltung, die in diesem Jahr rund 10 000 Besucher zählte, in dieser Form und Vielfältigkeit stattfinden kann, ist vor allem den insgesamt 180 ehrenamtlichen Helfern zu verdanken. "Ohne sie wäre all das nicht möglich", erklärt Sabine Seeholzer. Sie ist die Geschäftsführerin des Kult-Festivals und Vorsitzende vom Verein jetzt e.V., der zusammen mit dem Verein Kurzschluss große Teile der Organisation der Veranstaltung übernommen hat. Seeholzer hebt besonders hervor, dass das Festival ein Mehrgenerationenprojekt sein soll. Und auch, "dass wir als Verein nicht wichtig sind. Wichtig ist die Gemeinschaft".
Dies zeigt auch der Infostand zur sogenannten Awareness. Das englische Wort bedeutet so viel wie Achtsamkeit oder Bewusstsein. Denn jede Person soll sich auf der Veranstaltung und auch außerhalb jederzeit wohlfühlen können. Daher ist es den Organisatoren ein Anliegen, diskriminierungsfreie Räume zu schaffen. "Glücklicherweise hatten wir in diesem Jahr keinen Vorfall", erklärt Seeholzer.
Die Vorband von Fiddlers Green bringt das Publikum schon zum Ausrasten
Die letzten Stunden des Kult-Festivals stehen im Zeichen der Musik, genauer der irischen Folkmusik. Bevor aber Fiddler's Green die Bühne einnimmt, bringt die Vorband Tir Nan Og die Besucher im Veranstaltungszelt der sogenannten Kult-Arena, der größten Bühne des Festivals, in Stimmung. Schon nach den ersten Songs ist das Publikum begeistert von der Atmosphäre, die das Sextett mit abwechslungsreichen Gitarren- und Geigensoli, Querflöte und Schlagzeug und selbstverständlich dem Einsatz des Dudelsacks kreiert. Schnell sind die Zuschauer aktiv und tanzen, klatschen oder schwingen die Hände durch die Luft. Mit dem Lied "And Tobacco" und dem sogenannten Circle-Pit, in dem sich der Geiger in die Mitte des Publikums begibt und die nah dran stehenden Zuschauer um ihn herumtanzen, kommt die Atmosphäre zu einem neuen Höhepunkt. Der abschließende Song "I sold myself", bei dem das Publikum einen Teil des Refrains nach Anleitung der Band allein mitsingt, bringt die Kult-Arena stimmungstechnisch auf ein erneut sehr hohes Niveau, sodass die Band durch ihren kreativen Irish Folk Rock nach ihrem knapp einstündigen Auftritt mit riesigem Applaus bedacht wird.
Ähnlich laut wird es im Zelt kurz darauf, als Fiddler's Green auf die Bühne läuft. Das Sextett, bestehend aus Bassist Rainer Schulz, Akkordeonspieler Stefan Klug, Geiger Tobias Heindl, Schlagzeuger Frank Jooss, Gitarrist Patrick Prziwara und Sänger Jörg Roth, genannt Alea, bringt die Zuschauer vom ersten Lied an in grandiose Stimmung. Der eigentliche Fiddlers-Sänger Ralf Albers ist gesundheitsbedingt abwesend und wird vertreten von Alea, sonst Saltatio-Mortis-Frontmann. Wunderschöne irische Melodien, kreiert durch ein perfekt abgestimmtes musikalisches Zusammenspiel aus Bass, Gitarre und Geige, füllen den Raum. Das Publikum ist hingerissen. Kurz darauf ist Sänger Alea mit einem kleinen Schlauchboot unterwegs in der Menge, um Bier auszuschenken und gönnt sich auch selbst eine kleine Erfrischung. Der Rest der Band verzückt die Zuschauer weiter mit wundervollen irischen Klängen, Geiger Tobias Heindl begeistert mit einem abwechslungsreichen Solo. Besonders zeigt sich im Laufe des Abends die Bandbreite von Fiddler's Green, die Deutschlands erfolgreichste Irish Speedfolk-Formation ist. Auch ruhigere Balladen und traurige Melodien oder bekannte Lieder wie "Bella Ciao", "Blowin the Wind" oder "El condor pasa" hat das Sextett im Repertoire. Die Zuschauer tanzen, hüpfen und singen sich in einen regelrechten Rausch, wie bei der neu erschienenen Single "Shanghaied in Portsmouth".
Zum Schluss erwähnt Ersatzsänger Alea noch, dass dies der letzte gemeinsame Auftritt mit ihm als Vertreter für Ralf Albers sei. Doch die Dankbarkeit für das Erlebte und den besonderen Abend in Dachau als Abschied überwog zu jeder Zeit. Nachdem das Publikum Fiddler's Green zum Schluss des Kult-Festival noch einmal gebührend gefeiert hat, werden die Zuschauer mit "What a wonderful world" nach Hause entlassen. Der perfekte Abschluss des letzten Festival-Tages ist gelungen.