Kulinarik für Kenner:Hecht in Rosenwasser

Gastrosoph Peter Peters Streifzug durch die Esskultur

Von Dorothea Friedrich, Haimausen

Der Sternekoch Heinz Beck gilt als Deutschlands Küchenmeister-Aushängeschild in Rom, auch wenn oder gerade weil er "mit der Geometrie und Strenge einer Bach-Fuge" koche, wie ein Kritiker einmal schrieb. Wie vielfältig die kulinarischen Beziehungen zwischen Bella Italia und Deutschland sind, berichtete Peter Peter am vergangenen Freitag in der Kulturkreiskneipe Haimhausen, dem fünften Veranstaltungsort des diesjährigen Poetischen Herbstes im Landkreis Dachau. Peter ist Publizist und Dozent am Gastrosophiezentrum der Universität Salzburg. Sein Thema: "Pizza und Bavesen".

Pizza gab es zwar nicht, aber sehr gehaltvolle Bavesen. Die hatte Kreisheimatpflegerin Birgitta Ungar-Richter eigens backen lassen und verteilte sie in der Pause großzügig ans Publikum. Das wusste inzwischen nicht nur, dass der Gastrosoph laut Peters Definition ein Mensch ist, "der gerne gut isst und auch noch darüber nachdenkt", sondern hatte allerhand Geschichten über die Esskultur diesseits und jenseits der Alpen gehört. Die drehten sich beispielsweise um die Auswirkungen des Handels seit Römerzeiten oder um die Entstehung von Kochbüchern als Ausdruck des Wohlstands und, wenn man so will, einer offenen Gesellschaft. Um 1350 entstand in Würzburg "Das Buch von guter Speise". Sein Urheber war ein Mann mit einem nicht gerade frankentypischen Namen: Michael de Leone. Dieser war Peter zufolge "ein jüdischer Franke, der in Padua studiert hatte und Notar des Bischofs von Würzburg war". De Leones gehaltvolle Rezepte nehmen sich allerdings geradezu bescheiden aus verglichen mit der Menüfolge bei der Hochzeit Herzogs Wilhelm V. mit Renata von Lothringen am 22. Februar 1568, die im Glockenspiel des Münchner Rathauses zu sehen ist - jedoch ohne Essen und Trinken. Die Festivität war - wie vieles in jener Zeit - italienisch inspiriert. Dem ist möglicherweise auch geschuldet, dass "das Zwerglein des Herzogs Ferdinand" bei der Schmauserei aus einer überdimensionierten Torte hüpfte.

Peter zählt mit sichtlichem Vergnügen viele aus heutiger Sicht lustige Details dieser Völlerei auf, von der das gemeine Volk selbstverständlich ausgeschlossen wurde. So war es seinerzeit ein Wohlstandssymbol, dass die Gäste nicht ihre eigenen Messer mitbringen mussten und dass die Tafel mit mehreren Lagen Tischtüchern gedeckt war. So konnte jeder Gang, darunter "Mit Steinhühnern gefüllte Gänse", "Hecht in Rosenwasser" oder "30 bayerische Radis in Form von Waldtieren", auf einem sauberen Tuch serviert werden. Eher profan klingt dagegen, dass die aktuell schon wieder angesagten Nürnberger Lebkuchen ihre spezielle Rezeptur gleichfalls dem regen Handel mit orientalischen Gewürzen verdanken, an dem sich vor allem die Venezianer eine goldene Nase verdienten.

Damit hatte es irgendwann ein Ende. Die italienische Küche geriet in Verruf. Weshalb es im 1890 eröffneten ersten italienischen Restaurant in Deutschland, der Osteria Italiana, in München zwar italienischen Wein, aber ausschließlich bayerische Brotzeiten gab. Doch das Blatt wendete sich. Die Pizza trat ihren Siegeszug an. Vom neapolitanischen Arme-Leute-Essen ("Es gehört der Magen eines Landstreichers dazu, diese Pizza zu verdauen", schrieb ein Zeitgenosse um 1900) stieg sie nach dem Zweiten Weltkrieg zum italienischen Lieblingsgericht der Deutschen auf.

Peter erzählte diese Geschichten locker-amüsant, garnierte sie mit praktischen Tipps, wie etwa "Man trinkt Bier zur Pizza wegen ihres proletarischen Ursprungs". Der Grund: Im Pizza-Heimatland war für den Weinausschank eine Lizenz erforderlich, sein Bier konnte der Gast aber mitbringen. Weil nicht nur die Pizza zum Fast Food verkam, entstand in Italien in den 1980er Jahren die Slow-Food-Bewegung, für Peter ein weiterer Beweis für "Lebenslust bei Tisch" auf beiden Seiten des Brenners.

Diese wäre ohne Begleitmusik jedoch nur die Hälfte wert gewesen. Weshalb in der Kulturkreiskneipe ein Ensemble des Vivaldi-Orchesters Karlsfeld spielte. Dessen Leiterin, Monika Fuchs-Warmhold, hatte ein sorgsam aufs Thema abgestimmtes inspirierendes Programm zusammengestellt, darunter Renaissance-Musik, dem Barock Nachempfundenes des Hamburgers Ralph Paulsen-Bahnsen, echtes Barock des Österreichers Johann Carl Ditters von Dittersdorf, Oberländer Tänze aus dem Notenbuch von Herzog Maximilian in Bayern und als fabelhafte Zugabe das mitreißende neapolitanische "Funiculì, Funiculà". Dessen bayerische Adaption "Schaug hi, da liegt a toter Fisch im Wasser" sangen etliche Zuhörer begeistert mit. Kulturaustausch geht eben musikalisch und kulinarisch.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: