Krisenhilfe:Jeder Tag bringt neue Aufgaben

Der Sozialpsychiatrische Dienst der Caritas blickt auf 40 Jahre Bestehen zurück und sieht neue Herausforderungen

Von Petra Schafflik, Dachau

Höher, schneller, weiter - der Leistungsdruck und die Belastungen im Beruf und im Privatleben nehmen zu. "Aber immer mehr Menschen können dieses Tempo nicht mehr mitgehen", sagt Andreas Miller, Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes (SPDI) der Caritas. Seelische Krisen wie psychische Erkrankungen nehmen deshalb zu. Das unterstützende Angebot des SPDI, vor 40 Jahren im Landkreis gegründet, ist deshalb wichtiger denn je, betonte Miller bei einer Feier zum Jubiläum. Das Hilfsangebot reicht heute von gerontopsychiatrischen Gruppen über eine Tagesstätte mit Arbeitsangeboten bis zum jüngst erst installierten Krisendienst.

"Die Einrichtung leistet eine unheimlich wertvolle und wichtige Arbeit", sagte Bezirkstagspräsident Josef Mederer (CSU). Aber weitere Herausforderungen zeichnen sich ab. Caritas-Vorsitzende Gabriele Stark-Angermeier nennt etwa die traumatisierten Geflüchteten. Für sie will man Mitarbeiter mit entsprechenden Sprachkenntnissen in den SPDI integrieren. Für die älter werdende Gesellschaft wird das gerontopsychiatrische Programm erweitert. Der Krisendienst benötigt mehr personelle Ressourcen, und für eine ortsnahe Beratung wird in Markt Indersdorf 2019 eine Außenstelle im gerade im Bau befindlichen Maria-Gschwendtner-Haus eröffnet.

Das heute professionell arbeitende, breit gefächerte Angebot für Menschen in Not, Krisen oder mit psychischen Erkrankungen startete 1978 in einer Wohnung in der Altstadt von Dachau. Damals entstanden in allen bayerischen Landkreisen solche Anlaufstellen, Initialzündung war die 1975 vorgelegte Psychiatrie-Enquete, die große Mängel in der Versorgung psychisch Kranker aufzeigte. Ihre Situation in jener Zeit ist heute nur noch schwer vorstellbar. "Kranke waren isoliert, gelegentlich fand sich ein Arzt, behandelt wurde undifferenziert mit Medikamenten, notfalls wurden die Menschen weggesperrt", sagt Roland Prantl, der schon 1978 als zweiter Mitarbeiter zum SPDI kam und den Dienst dann lange Jahre leitete. Unterstützende Strukturen, ein Konzept oder Netzwerk - alles fehlte. Persönlich habe er damals Klienten zu Hause aufgesucht, langsam erst entstanden Club-Nachmittage oder Freizeitfahrten.

Heute arbeiten 30 Fachkräfte beim SPDI, organisieren den gerontopsychiatrischen Dienst, der sich um die Senioren kümmert. In der Tagesstätte finden psychisch Kranke nicht nur Tagesstruktur, sondern mit der Gebrauchtwarenhalle auch ein Arbeitsangebot. Noch recht neu ist der Krisendienst, der über eine Hotline bei akuten psychischen Ausnahmesituationen ansprechbar ist. Zwar wird der SPDI vom Bezirk "bestellt und finanziert", aber notwendig seien dahinter "Menschen mit Herz", die erst eine erfolgreiche Arbeit möglich machen, wie Mederer sagte. Erfolge erkennt der Bezirkstagspräsident in der Betreuung psychisch Kranker durchaus, nämlich eine heute "flächendeckende Versorgung und Entstigmatisierung".

Und das nach erfolgreichen Protesten von Fachverbänden überarbeitete Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz stellt den Krisendienst nun auch auf eine rechtlich solide Grundlage. Diese Hotline rette Menschenleben, betonte Mederer. Denn ganz offenbar benötigen immer mehr Menschen rasche Unterstützung in akuten Krisen. Allein in Oberbayern gingen dort 2000 Anrufe im Monat ein. Aktuell ist dieser Notdienst täglich von 9 bis 24 Uhr erreichbar, eine Ausweitung auf eine echte Rund-um-die-Uhr-Versorgung ist geplant.

Der Krisendienst stellt an das Team hohe Anforderungen. Denn sobald ein Notruf eingeht, muss alles andere liegen bleiben, Hilfe organisiert oder ein Einsatz gefahren werden. Für eine 24-Stunden-Rufbereitschaft "brauchen wir deshalb noch entsprechende Ressourcen", sagt Stark-Angermeier. Es reißt nicht ab: die Beratung traumatisierter Flüchtlinge, die besonderen Bedürfnisse der älteren Menschen sollen mehr Aufmerksamkeit bekommen. Oft werden psychische Erkrankungen erst im hohen Lebensalter und durch die Vereinsamung offenkundig. Der sozialpsychiatrische Dienst wird das Angebot anpassen, wie immer in den vergangenen 40 Jahren.

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