Krippendarstellung:Warum Maria blond ist und das Jesuskind nackt

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Die Heilige Familie mit Ochs und Esel gehören für uns wie selbstverständlich zum Bild von Weihnachten. Ein Buch des Krippenexperten Theodor Klotz zeigt, wie stark dieses Bild von einer Vision der Heiligen Birgitta geprägt wurde. Die Szene ist auch auf einem Gemälde in der Klosterkirche Altomünster dargestellt

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

Kripperl schauen ist ein schöner alter Brauch. Heuer erlebt er möglicherweise ein Revival - unter Beachtung der allseits bekannten Vorschriften. Schließlich können die sonst schon fast obligate Fernreise oder der Skiurlaub coronabedingt nicht stattfinden. Und was gibt es rund ums Krippchen alles zu sehen: die blonde Maria, den ältlichen Josef, das Kindlein in der Krippe, Ochs und Esel, Hirten und Engel nebst allerlei Beiwerk. Aus der Ferne nähern sich schon die derzeit in Sachen politische Korrektheit heiß diskutierten Weisen aus dem Morgenland. Da fragt sich doch der eine oder die andere, warum noch niemand an der hellhäutigen Maria nebst ihrem wallenden Blondhaar Anstoß genommen hat. Dem leidenschaftlichen Krippensammler Theodor Klotz jedenfalls war das nicht so ganz einsichtig. Er wollte der Sache auf den Grund gehen. So entstand sein Buch "Weihnachtsvision - die heilige Birgitta vor der Krippe". Herausgegeben hat den Band der Museums- und Heimatverein Altomünster.

Für Klotz war die von ihm kuratierte und aus eigenen Beständen bestückte Altomünsterer Ausstellung "Wege zur Krippe" vor drei Jahren der Auslöser, sich intensiver mit der Wirkung der berühmten Weihnachtsvisionen der heiligen Birgitta auseinanderzusetzen. Sie sind Teil ihrer Revelationes (Offenbarungen). Entstanden ist ein lesenswertes Buch, das von teils überraschender Aktualität ist. "Altomünster ist durch die lange Klostergeschichte ein birgittischer Ort", sagt Klotz im Telefonat. Zudem sei ihm bei seinen Recherchen bewusst geworden, dass das 14. Jahrhundert viele Bezüge zur Gegenwart habe: Was wir heute als Klimawandel und Corona-Pandemie erleben, waren seinerzeit die sogenannte kleine Eiszeit mit Hungersnöten, Kriegen um Ressourcen und die in ganz Europa wütende Pest.

Die prächtig verzierte Klosterkirche Altomünster. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Genau in dieser Zeit lebte und wirkte Birgitta von Schweden (1303-1374). Sie muss eine starke Frau gewesen sein: Mutter von acht Kindern, Ordensgründerin, Mystikerin, weitgereist, unerschrocken gegenüber weltlichen und kirchlichen Autoritäten. Sie nimmt im Alter von fast 70 Jahren die Mühsal einer Wallfahrt ins Heilige Land auf sich, wo sie in Bethlehem ihre berühmten Weihnachtsvisionen hat. Und in denen sieht Birgitta eben nicht mehr eine in den Wehen liegende Frau, sieht nicht mehr das bis dahin tradierte Bild einer verhüllten Gestalt, die im Dunkel einer Höhle kaum zu erkennen ist. Da liegt auch kein eng geschnürtes Fatschenkind mehr, das die junge Mutter, überwältigt von ihrem Schicksal, kaum eines Blickes würdigt. Vielmehr kniet dort eine junge, schöne Frau mit langen blonden Haaren im fein gewebten, engen körperbetonten Gewand, überwältigt von dem überirdischen Licht, das von ihrem neugeborenen Sohn ausgeht.

Es ist also kaum verwunderlich, dass die Künstler jener Zeit sich auf dieses neue Sujet stürzten. Endlich Schönheit malen, endlich Körperlichkeit darstellen und das alles mit dem Segen der geistlichen Herren, die zugleich ihre Auftraggeber waren, und zur Freude der Betrachter. Und noch etwas trug zum rasanten Wandel des Weihnachtsbildes bei: Ochs und Esel, in den Evangelien keiner Erwähnung wert, himmlische Heerscharen, die "Sterndeuter" aus dem Morgenland und viele "Zutaten" aus den apokryphen Evangelien oder den Volkslegenden hat Birgitta in ihren Visionen gesehen, also sozusagen das ganze Bild, das die Maler nun auf ihre Leinwände bringen durften. Wobei Autor Klotz deutlich macht, dass die Offenbarungen Birgittas nicht der alleinige Auslöser für diesen Paradigmenwechsel waren, sondern ihm nur den entscheidenden Schub verliehen haben.

Die Weihnachtsvision der Heiligen Birgitta hat der Tiroler MalerJoseph Mages in Szene gesetzt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Man kann dieses Buch und die angefügten Weihnachtsvisionen - vier an der Zahl - als historischen Diskurs lesen, man kann es als eine Reise in eine Zeit sehen, in der Glaube und Frömmigkeit das Leben bestimmten. Man kann es aber auch als facettenreiches Gemälde einer Frau sehen, deren visionäre Kraft sich nicht zuletzt aus ihren eigenen Lebenserfahrungen speiste. Denn in der männerdominierten Welt der Kirche, die Frauen buchstäblich als schwaches Geschlecht sah und teils immer noch sieht, das "der Nachsicht und der bevormundenden Führung" bedarf, eröffnet die Mystik "Freiräume des Erfahrens und Erlebens und nicht zuletzt auch des geistigen Austauschs", wie Klotz schreibt. Es ist wirklich spannend zu lesen, wie die Amtskirche Birgitta Berater, von Klotz "theologische Sparringspartner" genannt, zur Seite stellte. Schließlich war sie für die römische Kirche eine Fremde aus dem hohen Norden, theologisch nicht gebildet und womöglich gar eine Häretikerin. Da bedurfte es schon im geistlichen und im weltlichen Sinne echter Bodyguards, die sie auf dem rechten Weg hielten und womöglich auch redaktionell tätig waren, wenn die birgittischen Revelationes zu Papier respektive Pergament gebracht wurden.

Was diese Schutzmänner, wie Klotz sie nennt, aber womöglich nicht so wirklich zur Kenntnis genommen haben, ist Birgittas geradezu ketzerische Begründung, warum das Jesuskind nackt in der Krippe lag. Die Hirten wollten nämlich wissen, ob Maria einen Jungen oder ein Mädchen zur Welt gebracht habe, weil die Engel ihnen verkündet hatten, der Erlöser der Welt sei geboren und nicht Erlöserin gesagt hätten. Zu Birgittas Lebzeiten hätte wohl schon der ungeheuerliche Gedanke, der Gottessohn hätte ebenso gut eine Gottestochter sein können, für den Scheiterhaufen gereicht. So fügt Klotz viele, viele Details zu einem großen Ganzen zusammen, eröffnet neue "Wege zur Krippe", die man gerne geht. Warum? Weil dieses starke Buch für alle eine Bereicherung ist, "die wissen wollen, wie unser Bild von Weihnachten zustande gekommen ist, was Geistes-, Religions- und Kunstgeschichte seit dem 14. Jahrhundert dazu beigetragen haben und was es uns heute zu sagen hat", wie er sagt.

Krippenexperte und Buchautor Theodor Klotz. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Theodor Klotz: "Weihnachtsvision - die heilige Birgitta vor der Krippe", 2020, 164 Seiten. Das Buch im Paperback kann für 15 Euro bezogen werden. Bestellungen über theodor.klotz@web.de oder kontakt@museum-altomünster.de. Bitte unter Angabe der Telefonnummer, damit Termin und Übergabeart besprochen werden können.

© SZ vom 24.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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