Kriminalität in Karlsfeld:Jung, männlich, gestresst

Bürgerversammlung

Der Leiter der Dachauer Polizeiinspektion: Thomas Rauscher.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Polizeichef Rauscher erklärt, warum Flüchtlinge mit dem Gesetz in Konflikt geraten und ordnet die Statistik ein

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Statistiken sagen viel, aber sie sagen nicht alles. Das ist nicht ungefährlich, denn wo die Einordnung fehlt, bieten die Zahlen Raum für allerlei Interpretationen. Deswegen machte sich der Leiter der Dachauer Polizeiinspektion, Thomas Rauscher, bei der Bürgerversammlung in Karlsfeld am Montag auch die Mühe, detailliert darzulegen, wie sich das große Zuwanderungsjahr 2016 auf die Kriminalitätsstatistik im Landkreis ausgewirkt hat. Das Resultat in Kürze: Ja, es gab mehr Straftaten durch Flüchtlinge - und nein, die Zuwanderer sind nicht krimineller als die Deutschen, und der Landkreis ist durch sie auch nicht unsicherer geworden. Das erscheint zunächst widersprüchlich, aber die Wirklichkeit ist eben oft komplexer als ein paar schlichte Zahlen suggerieren.

Im vergangenen Jahr waren an sieben Prozent der von der Polizei erfassten Delikte im Landkreis Zuwanderer beteiligt, in der Regel also Asylsuchende. "Das ist eine überproportionale Beteiligung", sagt Polizeichef Thomas Rauscher - zumindest gemessen daran, dass diese Gruppe an der Gesamtbevölkerung nicht mal zwei Prozent ausmacht. Allerdings gehören zu der Gesamtbevölkerung auch Kinder, Greise und Frauen. Bei den Asylsuchenden, die 2016 in großer Zahl in den Landkreis kamen, handelte es sich allerdings größtenteils um junge Männer, und die geraten im Allgemeinen häufig mit dem Gesetz in Konflikt, wie Rauscher erläuterte - und zwar völlig unabhängig von Nationalität, Kultur, Hautfarbe oder Religion. Auch junge deutsche Männer sind überproportional häufig an Straftaten beteiligt.

"Wir müssen ja fair vergleichen"

In gewissen Kreisen hat sich die Lesart eingebürgert, wonach staatliche Stellen, insbesondere die Polizei, Flüchtlingskriminalität systematisch verschleiere oder herunterspiele. Die Zahlen, die Thomas Rauscher vorlegte, vermitteln eher den Eindruck, dass die Dachauer Beamten bei Flüchtlingen eher noch genauer hinschauen als bei Einheimischen. Im vergangenen Jahr registrierte die Dachauer Polizei etwa 2600 Tatverdächtige, ausländerrechtliche Verstöße wie illegaler Grenzübertritt nicht mitgerechnet. "Wir müssen ja fair vergleichen", sagt Rauscher. Von den 2600 Tatverdächtigen waren 40 Prozent Nicht-Deutsche, der Anteil der Zuwanderer lag bei 11,3 Prozent. Bei den Verdächtigungen wohlgemerkt, nicht bei den Taten.

Bei einem Drittel aller Delikte handelt es sich um Körperverletzungen. In den meisten Fällen ging es um Auseinandersetzungen in Massenunterkünften. Wo die Flüchtlinge dicht auf dicht aufeinandersitzen, geraten die Leute auch öfter aneinander. Selten sind Einheimische betroffen. Nur in einem Viertel der Fälle gebe es "deutsche Geschädigte", wie Thomas Rauscher sagte, wobei unter diesem Viertel nicht nur natürliche Personen seien, sondern auch Körperschaften wie etwa Versicherungen. Bei 16 Prozent der Straftaten ging es um Diebstahl, gefolgt von Betrügereien (15 Prozent) wie Schwarzfahren; vereinzelt kam es auch zu Rauschgiftdelikten.

Lob für die ehrenamtlichen Asylhelfer

"Wir sind aber nicht blauäugig und verlassen uns nur auf die Statistik", sagte Rauscher. Bei gravierenderen Vorfällen gebe es immer eine Einzelfallbesprechung, um festzustellen, ob ein Täter psychisch oder religiös auffällig ist, also ob es sich um einen sogenannten Gefährder handelt. "Das war bislang nie der Fall", sagte Rauscher. "Wir versuchen auch immer engen Kontakt zu den Asylsuchenden zu halten, auch über die Helferkreise." Rauscher lobte ausdrücklich auch das Engagement der Ehrenamtlichen: "Diese Integrationsbemühungen sehen wir als ganz wichtig an."

Von 2015 auf 2016 ist die Zahl der Delikte im Landkreis nur geringfügig gestiegen: von 5300 auf 5356 Fälle. Das entspricht etwa einem Prozent. Ähnlich stark ist in diesem Zeitraum auch die Bevölkerung gewachsen. Die höchste Zahl von Straftaten (5643 Fälle) wurde im Jahr 2011 verzeichnet, lange vor Eintreffen der vielen Flüchtlinge.

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