Süddeutsche Zeitung

Konzertkritik:Wumms und Tiefgang

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Die Rock-Band "Town of Saints" zeigt bei ihrem Auftritt in der Kulturschranne ihr facettenreiches Repertoire. Verschiedene Stilrichtungen bescheren dem Publikum einen emotionalen Abend

Von Andreas Förster, Dachau

Dass Town of Saints nicht wirklich aus der Stadt der Heiligen kommen, wird beim Konzert schnell klar. Das Bier strömt in Sänger Harmen Ridderbos hinein, der Schweiß in Sturzbächen aus ihm heraus. Schwarze Klamotten, dunkler Vollbart, durchdringender Blick, kraftvolle Stimme. Nein, heilig im Sinne von unschuldig und brav wirkt er nicht. So, wie er Pete Townsends (The Who) Windmühle an der E- und Akustik-Gitarre beherrscht, verkörpert er eher den klassischen Rock 'n' Roll. Würde man aber für die beste Bühnenshow des Jahres heiliggesprochen, oder dafür, ein Publikum, das an Tischen sitzt und gelegentlich mit dem Fuß wippt, nach einer Stunde zum närrischen Abzappeln zu bewegen, dann hätten Ridderbos und seine Saints gute Chancen. Als Live-Band sind sie jedenfalls bei ihrem Auftritt in der Kulturschranne eine Klasse für sich.

Frontman Ridderbos ist Lehrer an einer Schule in Groningen und weiß, wie man die Zuhörer zum Mitmachen animiert und bei Laune hält. Dass er dabei am liebsten die Schuhe auszieht, ist aber wohl eine exklusive Bühnenmarotte, die bei den Schülern weniger Begeisterung auslösen würde. Im Kreis seiner musikalischen Mitstreiter aber tanzt und stampft er in schwarzen Socken auf und vor der Bühne, als wäre es das natürlichste der Welt. Es sei der spürbare Kontakt zum Boden, der ihm Kraft gebe, erzählt der großgewachsene Niederländer. Außerdem überragt er dadurch seine finnische Partnerin, Heta Salkolahti, nur noch um einen halben Kopf. Die beiden bilden den Kern der Saints.

Es ist die Gabe des erfolgreichen Entertainers, dass er die Nähe zum Publikum mühelos aufbauen kann. Ridderbos gelingt das, als er versucht auf Deutsch zu plaudern, sich dabei verhaspelt und geknickt zugibt: "Vor dem Auftritt klappte das noch besser"; als er spontan einem Pärchen zur Hochzeit gratuliert oder mit deutschem Akzent bei dem elegischen Miner's Song "Please come back here one day, the water schpargels like your smile" (anstatt sparkles) singt und das Publikum auffordert, es ihm gleich zu tun. Die Melodien und Lyrics auf "Celebrate" und dem Vorgängeralbum "No Place Like This" sind eingängig, so dass es dem Publikum beim Konzert leicht fällt mitzusingen.

Auf dem aktuellen Album haben die Saints jedoch einen veritablen Stilwechsel vollführt. Neuerdings präsentiert sich das als Indie-Pop-Rock mit Folk-Touch bekannte Duo Salkolahti und Ridderbos als Country-Folk-Band mit schmissiger Geige (Salkolahti), rhythmisch fordernder Akustikgitarre (Ridderbos) und markantem Indie-Touch, indem sie den ungewöhnlichen Mix mit rockiger Steel-Guitar, treibendem Bass und wuchtigem Schlagzeug aufpeppen. Es ist der erste Auftritt von Salkolahti und Ridderbos in Dachau mit zusätzlichen Musikern und einer Vorband namens First Wolf, bestehend aus Melle Leijten und Suze Commandeur. Die beiden kommen ebenfalls aus Groningen und sind von Anfang an Teil der Show. Beide Bands haben einen ähnlichen musikalischen Background (Folk, Americana, Blues und Bluegrass), unterstützen sich gegenseitig immer wieder auf der Bühne mit mehrstimmigen Vokalharmonien, Tambourin und Gitarre. Man merkt, dass sie miteinander befreundet und ein eingespieltes Team sind. Und wie man das von Holländern häufig kennt, geben sie sich im Kontakt zum Publikum unverkrampft, feiern den Tourabschluss mit Wein und Bier, singen beseelt und verbreiten gute Laune.

Daneben gibt es aber auch intime Momente, die unter die Haut gehen. Dann nämlich, wenn es ruhiger wird, wenn Salkolahti und Ridderbos als Duo mitten im Publikum stehen und ohne Verstärker spielen, wie bei den melodischen Songs "Weed" oder "Rise up" aus dem neuen Album. Oder auch bei der Indie-Hymne "Stand up", die Ridderbos zur Folk-Hymne umgeschrieben und mit neuem Text ("You can't always stand up, but you can try"), neuen Harmonien und viel Raum für Lead-Gitarrist Bernd Rombouts versehen hat. Als Zugabe zeigt Saints-Boss Ridderbos spontan, dass er auch am Piano eine gute Figur macht. Das war ein Konzert mit Wumms und Tiefgang, bei dem am Ende alle verschwitzt waren, sowohl die Musiker als auch das Publikum.

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Quelle:
SZ vom 06.11.2018
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