Konzertkritik:Irgendwas mit Liebe

Konzertkritik: Erdig-folkig und ausgesprochen gut gelaunt präsentieren sich "Belle Roscoe" bei ihrem Auftritt in der Dachauer Kulturschranne.

Erdig-folkig und ausgesprochen gut gelaunt präsentieren sich "Belle Roscoe" bei ihrem Auftritt in der Dachauer Kulturschranne.

(Foto: Toni Heigl)

Die australische Indie-Band "Belle Roscoe" überzeugt in der Kulturschranne trotz eher dürftiger Texte. Aber als Support haben sie ja Sascha Seelemann

Von Andreas Förster, Dachau

Mit Sascha Seelemann als Support hatten es die Australier von Belle Roscoe nicht leicht. Der Dachauer Song-Poet schaffte es, "sein" Publikum mit berührenden Texten und eingängigen Balladen und Uptempo-Nummern am Flügel mitzunehmen auf eine Reise in die Tiefen seiner Seele. Als Radiomoderator weiß Seelemann, wie man die Zuhörer schlagfertig unterhält, und ein Auftritt in der Dachauer Kulturschranne ist für ihn ohnehin ein Heimspiel.

Ein Heimspiel war es für Belle Roscoe gewiss nicht, obgleich die Geschwister Matt und Julia Gurry aus Melbourne auch schon zum dritten Mal in Dachau gastierten. Das erste Mal, 2016, spielten sie in Begleitung ihres Landsmanns Jaimi Faulkner in der Schranne, das zweite Mal 2017 als Duo im Café Gramsci eine Seitenstraße weiter, und nun hatten sie erstmals eine dreiköpfige Band mitgebracht: einen Bassisten, einen Schlagzeuger und einen zweiten Gitarristen neben Sänger Matt Gurry. Sie kennen sich alle aus London, wo sie seit einiger Zeit leben. "These are our boys", stellten Matt und Julia die jungen Männer vor. Anthony, der Bassist aus England, war noch nie vorher auf Tour. Sichtbar fröhlich spielte er seine markanten Basslines, wippte unbekümmert im Takt, zog sich nach drei Songs auf der Bühne einfach mal einen Teil der Klamotten aus - es war wirklich sehr heiß - und musste mal eben zwischendrin auf die Toilette rennen. Das erlebt man eben nicht auf den großen Bühnen dieser Welt. Für die anderen beiden, den Franzosen Romain an den Drums und seinen Landsmann Hugo an der Gitarre, sind es Tournee Nummer zwei und drei. Auch nicht gerade das, was man alte Hasen nennt, trotzdem spielten die fünf wie aus einem Guss. Und machten von der ersten Minute an klar, dass sie dem romantischen Singer-Songwriter-Piano eines Sascha Seelemann eine volle Breitseite Kontrastprogramm entgegenzusetzen hatten: schweißtreibenden, erdigen und handgemachten Blues- und Folk-Rock mit Texten, die zwar keinen tieferen Sinn transportieren, dafür einprägsam sind und zum Mitsingen animieren wie bei "Sing me a song where the message is love, sing me a song that keeps me alive, I need it, I need it, I need it!" oder "You're going to miss me when I'm gone, long gone, you're going to be dancing alone." Das ist eingängig, setzt aber kein Kopfkino in Gang. Braucht es auch nicht, denn der Indie-Rock von Belle Roscoe funktioniert auch so.

Auf ihre Unabhängigkeit legt die Band großen Wert. Als Sängerin Julia feststellte, dass die sechs neuen Songs, die sie dem Dachau Publikum vorstellten und die auf dem neuen Album nächstes Jahr erscheinen sollen, alle ziemlich lang geworden sind, erklärte sie: "Die sind so lang, weil wir es so wollten. Wir sind eine Indie-Band, hinter uns steht niemand, der uns sagt, was wir tun oder lassen sollen. Deshalb machen wir genau das, was wir möchten." Zum Glück, möchte man sagen, denn bislang ist der Output der Band, bei allem Stilmix, bei allen Reminiszenzen an Bluesveteranen wie Jimi Hendrix, Janis Joplin, Joe Cocker oder auch Bruce Springsteen und Achtzigerjahre-Britpop-Klassiker im Ergebnis vor allem mitreißendes Entertainment von begabten Musikern und Songschreibern. Eigenständig und alles andere als stromlinienförmiger Mainstream. Wie wenig sich Bandboss Matt Gurry um Konventionen kümmert, sieht man auch an seiner deutlich abgegriffenen Akustikgitarre. Die hat er vielleicht schon seit den Anfängen der Band in den 2000er-Jahren, als noch die zweite Schwester, die 2010 ausgestiegen ist, Teil der Band war. Am Klangkörper des Instruments erkennt man neben dem verblichenen Band-Logo einen aufgemalten Ausschnitt aus dem Gemälde "Der Schrei" von Edvard Munch. Es gilt als einer der Höhepunkte des Expressionismus, und an der expressionistisch-freiheitsliebenden Ausdrucksform orientierten sich auch Belle Roscoe. In ihrem Fall bedeutet das: Sie können auch psychedelisches Gewaber an Keyboard und Gitarre. Aber mit solchen Spielereien halten sie sich nie lange auf, dann kommen sie gleich wieder zur Sache, zum guten alten Rock'n Roll, wie ihn schon Elvis in Memphis zelebriert hat. Dort haben sie einen Teil ihrer neuen LP aufgenommen, die im kommenden Frühjahr erscheinen soll. Man darf gespannt sein.

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