Konzertführer:Hohe Geigenkunst

Auf dem Dachauer Schlosskonzert erklingt virtuose Barockmusik

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

"Virtuose Kammermusik des 17. Jahrhunderts aus Österreich und Süddeutschland" ist das Programm des nächsten Dachauer Schlosskonzerts (Samstag, 21. Oktober, um 20 Uhr) betitelt. Die Namen der Komponisten dieses Programms sagen dem Konzertbesucher, der Barockmusik vor allem mit Bach und Händel verbindet, wenig, doch es geht um bedeutende Komponisten. Musik des bedeutendsten Musikers seiner Zeit steht am Beginn und am Ende des Programms; es ist der 1644 in Böhmen geborene Heinrich Ignaz Franz Biber, der erst Musiker beim Erzbischof von Olmütz war, dann am Fürstbischöflichen Hof in Salzburg bis zum Kapellmeister und Truchsess aufstieg und vom Kaiser geadelt wurde.

Heinrich Ignaz Franz Biber war vor allem Violinvirtuose, seine Spezialität war die Scordatura, das heißt das Spiel auf einer Geige, deren Saiten von der Normalstimmung g - d - a - e abweichend gestimmt sind. Berühmt wurden seine 16 Violinsonaten "zur Verherrlichung der 15 Mysterien aus dem Leben Mariä" und seine "Harmonia artificiosa-ariosa". Das sind sieben Partiten für zwei Violinen und Basso continuo mit besonders komplizierter Anwendung der Scordatura und einer Häufung doppelgriffigen Spiels. Zwei dieser Partiten stehen auf dem Programm des Dachauer Schlosskonzerts. Noch hundert Jahre später bezeichnete der große englische Musikforscher Charles Burney Biber als den größten deutschen Geigenkünstler des 17. Jahrhunderts.

Biber war sehr wahrscheinlich Schüler von Johann Heinrich Schmelzer in Wien. Schmelzer war der erste Österreicher, der es in Wien, umgeben von ausschließlich italienischen Musikern, zum kaiserlichen Hofkapellmeister brachte. Besonders bekannt wurde er als Komponist der in den damaligen Opernaufführungen sehr beliebten Ballett-Einlagen. Bedeutend sind aber auch Schmelzers Instrumentalwerke, die er als einziger österreichischer Komponist seiner Zeit in Wien herausbrachte. Eine seiner Sonaten für zwei Violinen und Basso continuo eröffnet im Dachauer Schlosskonzert den zweiten Teil des Programms. Der Ahnherr dieser virtuosen Barockmusik ist aber der Italiener Biagio Marini aus Brescia. Er gilt als der erste Violinvirtuose unter den Komponisten und als der erste bedeutende Komponist der Kammermusik überhaupt. Im Dachauer Programm erklingt seine Sonate über das damals sehr bekannte Thema "La Monica".

Bayern ist mit dem 1640 in Schärding geborenen Violinisten und Komponisten Rupert Ignaz Mayr vertreten, der in München "Prima Violinista", in Freising bischöflicher Hofkapellmeister wurde. Sein bekanntestes Werk trägt den kuriosen Titel "Pythagoräische Schmids-Füncklein". Der große Münchner Komponist der Barockzeit ist Johann Kaspar Kerll aus Adorf im Vogtland. Er erhielt seine musikalische Ausbildung auf Kosten des bayerischen Erzherzogs in Rom, wo er Schüler von Frescobaldi und Carissimi und katholisch wurde.

In München wurde er Hofkapellmeister, führte sechs italienische Opern auf - leider alle verloren - und schrieb Kirchenmusik sowie Orgelwerke. An der Oper ärgerte er sich dermaßen über seine italienischen Kollegen, dass er nach Wien ging, wo er Organist am Stephansdom und Hoforganist wurde. Nach sieben Jahren kehrte er nach München zurück. Das Programm "Musica artificiosa" im Dachauer Schloss enthält eine Sonate für zwei Violinen und Basso continuo aus seiner Feder sowie sein bekanntestes Werk, eine Passacaglia für Cembalo solo.

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