Konzertführer:Erinnerungen an das Landleben

Karlsfelder Sinfonieorchester spielt Beethovens Pastoralsinfonie

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Am 22. Dezember 1808 fand in Wien, im damaligen k.k. Theater an der Wien, ein Riesenkonzert statt, eine "musikalische Akademie" von für heutige Begriffe unvorstellbarem Ausmaß. Es enthielt nur Werke von Beethoven, nämlich die 5. und die 6. Sinfonie (op. 67 und op. 68), das 4. Klavierkonzert op. 58, von Beethoven selbst gespielt, dazu noch die Chorfantasie op. 80 und mehrere Sätze aus der C-Dur-Messe op. 86. "...sämtliche Stücke sind von seiner Komposition, ganz neu und noch nicht öffentlich gehört worden", besagte die Anzeige dieses Konzerts in der Wiener Zeitung. Solch ungeheure Mengen an Musik mutet man heute keinem Publikum mehr zu. Bernhard Koch will im Sinfoniekonzert seines Karlsfelder Sinfonieorchesters am Sonntag, 7. April, um 19 Uhr im Bürgerhaus Karlsfeld aus Beethovens Riesenprogramm nur die 6. Sinfonie op. 68, also die Pastoralsinfonie, aufführen, dazu nur eine Ouvertüre für Orchester von Fanny Hensel und ein Harfenkonzert von François-Adrien Boieldieu.

Fanny Hensel ist die Schwester von Felix Mendelssohn, eine damals berühmte Pianistin, aber auch eine begabte und fleißige Komponistin. 450 Werke sind von ihr überliefert, doch veröffentlicht wurden zur ihrer Zeit nur wenige Lieder - unter dem Namen Felix Mendelssohn Bartholdy. Auf ihre Ouvertüre in C-Dur darf man also gespannt sein, ebenso auf das Harfenkonzert, ebenfalls in C-Dur, von Boieldieu. Dieser französische Komponist (Zeitgenosse von Beethoven) war vor allem mit seinen Opern erfolgreich. Seine bekannteste Oper "Die weiße Dame" gilt als ein Hauptwerk der französischen Romantik. Sein Harfenkonzert schrieb er als 25-Jähriger im Jahr 1800.

Beethoven schrieb im Sommer 1807 in einem Brief: "Wie glücklich sind Sie, dass Sie schon früh aufs Land konnten! Erst am achten kann ich diese Glückseligkeit genießen. Kindlich freue ich mich darauf; wie froh bin ich, einmal in Gebüschen, Wäldern, unter Bäumen, Kräutern, Felsen wandeln zu können, kein Mensch kann das Land so lieben wie ich." Diese Liebe fand ihren musikalischen Ausdruck in der Komposition der 6. Sinfonie. "In der Pastoralsymphonie wechselt der Komponist einen Händedruck mit der Programmmusik", schrieb vornehm-zurückhaltend der große Wiener Beethoven-Kenner Theodor von Frimmel und meinte, "doch hält er sich innerhalb der Grenzen, die ihn sein natürlicher Verstand für die Ausdrucksfähigkeit der Musik erkennen ließ. Die stilisierte Tonmalerei mit dem Kuckucksruf, dem Wachtelschlag und Nachtigallentriller pflegt uns heute etwas kindisch anzumuten." Damit ist die große Diskussion um Musik mit einem Programm, das außermusikalische Vorgänge - etwa ein Gewitter oder die genannten Vogelstimmen - darstellen will, angesprochen. Das wurde von der Ästhetik des 18. und vor allem des frühen 19. Jahrhunderts abgelehnt. Selbst Joseph Haydn wurde wegen seiner musikalischen Schilderungen (Tonmalereien) in seiner "Schöpfung" und in den "Jahreszeiten" heftig angegriffen, sie wurden auch von Schiller und Goethe abgelehnt. Beethoven meinte zu seiner Musik: "Wer auch nur je eine Idee vom Landleben erhalten, kann sich ohne viele Überschriften selbst denken, was der Autor will. - Auch ohne Beschreibung wird man das Ganze, welches mehr Empfindung als Tongemälde, erkennen." Trotzdem versah er dann die fünf Sätze seiner Pastoralsinfonie doch mit bezeichnenden Überschriften: "Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande - Szene am Bach - Lustiges Zusammensein der Landleute - Gewitter, Sturm - Hirtengesang. Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm".

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