Konzert:Tschacka-bumm, tschacka-boing

Lesezeit: 2 min

Christian Benning adaptiert auch klassische Stücke für sein Programm. (Foto: oh)

Christian Benning stellt in der Hofmarkkirche sein virtuoses Können am Schlagzeug unter Beweis

Von Gregor Schiegl, München / Dachau

Bis auf ein paar Reste im Seitenschiff ist die Allerheiligen-Hofmarkkirche in der Münchner Residenz völlig vom Putz befreit, und so wölbt sich eine Kuppel aus nacktem Ziegelgemäuer über Marimbas, Vibraphone, und diverse Schlagzeug-Sets - und einen einzelnen Solisten mit Sticks und Schlägeln. Es ist fast ein Heimspiel für Christian Benning. Viele Dachauer sind zu seinem abendfüllenden Konzert angereist, darunter Norbert Siegl, sein alter Schlagzeuglehrer vom Dachauer Studio "Drums", auch Dachaus Landrat Stefan Löwl ist mit seiner Familie gekommen, um mal mehr von dem Genius zu hören als nur ein einzelnes virtuos vorgetragenes Stück bei einer Vernissage.

Christian Bennig hat sich für diesen Abend einiges vorgenommen, nicht weniger als eine Leistungsschau der Perkussion soll es sein, bei der aber auch die Unterhaltung nicht zu kurz kommt. Der 23-Jährige bedient sich dabei des bewährten Reißverschlussverfahrens: eine Runde Rhythmik - Einzel- und Doppelschläge, Wirbel, Polyrhythmen - dann eine Runde chromatisches Spiel auf Marimba oder Vibraphon, elegisch und emotional, wobei Benning einen außerordentlich feinfühligen Anschlag beweist; manche Töne wirken nur mehr wie ein Windhauch, der ein Blatt streift. An solchen Details zeigt sich schon der Meister. Ganz nebenbei illustriert er die weltumspannende kulturelle Bandbreite der Perkussion, von der indonesischen Gamelanmusik bis zu diversen Bearbeitungen europäischer Volksweisen, die wohl kaum einer so kunstvoll in Musikstücke gefasst hat wie der deutsch-serbische Perkussionist Nebojša Jovan Živković. Von ihm spielt Benning gleich mehrere Stücke, "Ilijas" für Marimbaphon oder "Suomineito", die Bearbeitung eines finnischen Volkslieds für Vibraphon. Beim Zugabestück, einem Choral von Bach, lässt er sein Instrument förmlich singen, die Töne verbinden sich und lösen sich langsam auf. Man meint wahrhaftig, die verhallenden Stimmen des Weihnachtsoratoriums zu hören.

Wer denkt, das Spiel auf einer Pauke oder einer Spielmannstrommel müsse dagegen eine ziemlich monotone Angelegenheit werden, wird bei diesem Konzert eines Besseren belehrt. Benning lässt seine Pauke brummen, glucksen, schnurren, klappern, singen, maulen, knarren. Und mit dem Spiel von Dantes Agostinis "Le Train" beweist er, dass eine hundsordinäre Spielmannstrommel zum konzertanten Instrument taugt. Die Schläge prasseln und verdichten sich zum Schnaufen einer Lok, man hört die Kolben der Maschine stampfen, das synkopische Rattern auf den Gleisen, das hohle Scheppern des Zugs im Tunnel. Es ist wie ein pointillistisches Gemälde, nur eben ein akustisches: Statt ein Bildmotiv in Punkte aufzulösen, wird das Geräusch in seine perkussiven Bestandteile zerlegt. Das ist eine sehr gegenständliche Art des Musizierens, zu der es auch das abstrakte Gegenstücke gibt: "Rebonds A" von Iannis Xenakis, dessen Ästhetik vor allem in seiner fast geometrischen Formstrenge liegt.

Ganz exzeptionell, man kann es nicht anders nennen, ist die Playback-Performance zu "Bad Touch" von Casey Cangelosi. Das Stück kommt vom Band, dazu macht Benning im Schwarzlicht die passenden Bewegungen: Er schlägt auf seinen Eisenarm (jedenfalls klingt er metallisch), dreht am Kopf des Drum-Sticks wie bei einer Pfeffermühle (es hört sich auch so an, knirschend, körnig) und lässt ploppend unsichtbare Seifenblasen zerplatzen. Das Konzert wirkt noch lange nach: In den Nachtgeräuschen, den Autos und Trambahnen, hört man auf einmal den Beat der Stadt.

© SZ vom 29.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: