Konzert:Skandal im Pfarrbezirk

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Präzision, Charme und jede Menge Witz: der Barbershop-Chor "Herrenbesuch" in der Kirche Heilig Kreuz. (Foto: Toni Heigl)

Die Sänger von "Herrenbesuch" legen in der Dachauer Kirche Heilig Kreuz einen musikalisch gekonnten Auftritt hin, der teilweise extrem lustig ausfällt. Nicht umsonst zählt der Barbershop-Chor aus München zu den besten seines Fachs

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Herrenbesuch in einem Gotteshaus? Das assoziiert man gemeinhin mit dem großen Auftritt geistlicher Würdenträger oder Visitationen von Vertretern des Erzbistums in der Pfarrei. Am vergangenen Sonntag jedoch gab es Herrenbesuch der ganz anderen Art in Heilig Kreuz. Etwa 30 Männer in dunklen Anzügen, pinkfarbenen Hemden und mit passenden edlen Einstecktüchern eroberten den Kirchenraum - und die Herzen der vielen Zuhörer. Denn "Herrenbesuch" ist der Name eines Barbershop-Chors aus München, der zu den besten seines Fachs zählt. Er hatte seinen großen Auftritt auf Einladung des "Dachauer Forums" sowie von Barbara Asselborn und Gabriele Haszprunar, ehrenamtlich engagiert in der Erwachsenenbildung von Heilig Kreuz und bestens vernetzt. Sie konnten für diese Konzert zudem die Schauspielerin Brigitte Walbrun für eine Prosa- und Lyrik-Lesung gewinnen. Brigitte Walbrun gehört zum Ensemble des Serienhits "Dahoam is dahoam".

Dieser "Damenbesuch" bei "Herrenbesuch" sollte sich als echter Glückstreffer erweisen, denn Frau und Männer verstanden sich auf Anhieb, sorgten gemeinsam für eine völlig entspannte Atmosphäre. Aber "Herrenbesuch" ist ja auch kein Männerchor im landläufigen Sinn. Denn Barbershop-Musik ist eine ganz eigene Stilrichtung. Sie hat ihren Ursprung in den USA. Die Entstehungsgeschichte ist mythenumrankt. Die einen erzählen, die Musik sei dort Ende des 19. Jahrhunderts in Friseurläden entstanden. Dort hätten sich die Männer die Wartezeit mit Improvisationen bekannter Lieder vertrieben. Die anderen, in diesem Fall ein anderer, nämlich der Gründer und langjährige Chorleiter Hans-Jürgen Wieneke, berichtete, Neid sei die Antriebsfeder der weißen Männer im Süden der USA gewesen; Neid auf die Gesangskunst "der Schwarzen, die an jeder Straßenecke zu hören war". Sei's drum. Heute ist die Barbershop-Szene weltweit bunt gemischt, folgt mit Tenor, Lead, Bariton und Bass ihren eigenen Regeln, klingt faszinierend homogen - und ist längst keine Männerdomäne mehr.

Gesungen wird vierstimmig - ohne Noten - aber mit höchster Präzision und mit unglaublichem Spaß, mit Charme und Können. Da springt der Funke sofort über, zumal Wieneke sich auch noch als witziger Moderator erweist und das Programm stellenweise mit geistlicher Musik so viel zu tun hat wie ein gewisser gelbhaariger US-Präsident mit solider Politik. Zur Einstimmung für Chor und Zuhörer gibt es Gospels - heiter-getragen fluten die Stimmen ins Kirchenschiff. Brigitte Walbrun liest ein wahrhaft herziges Gedicht der Turmschreiberin Monika Pauderer, und Herrenbesuch dreht mit einem Spider-Murphy-Gang-Medley voll auf - "Skandal um Rosi" und mehr oder weniger melodisches Mitsingen inklusive. Das ist ziemlich abgefahren, total lustig und irgendwie auch ein Zeichen dafür, dass zumindest Heilig Kreuz keine humorfreie klerikale Zone ist.

Doch Brigitte Walbrun toppt das Ganze locker. Nicht mit Lyrik des Turmschreiber-Mitbegründers Oskar Weber, nicht mit Regina Meier zu Verls "Margeritentraum", sondern mit einem umwerfenden Text, der als "katholischer Witz" im Internet kursiert und den Garten Eden folgendermaßen beschreibt: Eva ist eigentlich glücklich im Paradies, kann aber keine Äpfel mehr sehen und langweilt sich mit der ewig präsenten Schlange. Sie braucht Abwechslung. Und bekommt einen Mann - allerdings nur unter der Prämisse, dass sie nie verrät, dass sie zuerst da war. "Herrenbesuch" revanchiert sich mit "Frauen", einer im Grönemeyer-Stil gesungenen witzigen Persiflage auf dessen "Männer"-Hit. Und findet locker zurück zu nachdenklicher stimmenden Themen.

Stundenlang könnte man zuhören und zusehen. Könnte erleben, wie Chorleiter Dominik Schaller sich immer wieder mal in die Sängerriege und ihre feine, unaufdringliche Choreografie einreiht. Dieser unverkrampfte, fröhliche Abend mit seinen willkommenen meditativen Momenten hatte jedoch einen durchaus ernsten Anlass: Der Erlös dieses Benefizkonzerts geht an die Dachauer Organisation "Löwenkinder". Sie kümmert sich um vernachlässigte oder seelisch misshandelte Kinder und Jugendliche, Kinder, die "mit Schmerzen hinter dem Brustbein", leben müssen, wie Vereinsvorsitzender Frank Menauer sagte - und der mehr als gelegentlichen Damen- oder Herrenbesuch braucht.

© SZ vom 12.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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