Süddeutsche Zeitung

Konzert:Musik, die mitreißt

Beim Auftritt des "Persischen-Musik-Zentrums" hält es im Publikum kaum jemand auf den Sitzen

Von Renate Zauscher, Lauterbach

Das Alte Schulhaus in Lauterbach hat in seiner mehr als hundertjährigen Geschichte so manches erlebt. Doch kaum eine Veranstaltung in dem alten, schön renovierten Gebäude, das seit drei Jahren als kultureller Veranstaltungsort genutzt wird, dürfte die Besucher in ihren Bann gezogen haben wie der Auftritt dreier aus dem Iran stammender Musiker am Samstagabend. Der in Gröbenried lebende Sänger Amin Ghorbanzadeh war mit seiner Band in Lauterbach und ihm gelang, was hierzulande keinesfalls selbstverständlich ist: Die rund sechzig Zuhörer hielt es nicht mehr auf ihren Sitzen. Trotz eher höherem Durchschnittsalter der Besucher ging es schon nach wenigen Minuten im Saal der Alten Schule fast so heiß zu wie in einer Disco.

Amin Ghorbanzadeh, der in der Unterkunft für asylsuchende und geflüchtete Menschen in Gröbenried lebt und im Bergkirchener Gewerbegebiet Gada arbeitet, hatte zwei befreundete Musiker eingeladen, den Percussionisten Sadegh Gholami und Keyboard-Spieler Bahman Falahpour, mit dem er bereits seit zwei Jahren gemeinsam musiziert. Zusammen haben die Musiker die Gruppe des "Persischen Musik-Zentrums" (PMC) gegründet. Falahpour kommt aus der Nähe von Memmingen, Gholami aus Nürnberg. Vor Konzertveranstaltungen treffen sich die jungen Männer in Gröbenried, um ihre Auftritte vorzubereiten und im gemeinsamen Musizieren auch so etwas wie Heimatgefühle zu finden.

Alle drei Musiker kommen aus dem Norden Irans. In ihre Musik, iranischen Pop, fließt neben der traditionellen Volksmusik des Nordens vor allem auch der afrikanisch beeinflusste Bandari-Stil des Südens am Persischen Golf mit ein. Typisches Instrument der dortigen Musik ist der Dudelsack. Ihn hört man neben dem Saiteninstrument der Setar auch immer wieder aus Falahpours Keyboard-Spiel heraus. Mit Sadegh Gholami hat Amin Ghorbanzadeh vor wenigen Monaten einen Percussionisten gefunden, der auf der elektronischen Handtrommel spielt und in Lauterbach immer wieder mit temperamentvollen Soli beeindruckte.

Im Alltag wirkt Amin Ghorbanzadeh eher wie ein zurückhaltender Mann. Aber das ist offenbar nur eine Seite des 34-Jährigen: Kaum hat er das Mikro in der Hand, wird er zum charismatischen Bühnenmensch, der seine Zuhörer sofort in Bann zieht. Er singt auf Farsi, seine Texte handeln fast alle von der Liebe. Im ersten Song, den das Publikum am Samstag zu hören bekam, geht es um die unglückliche Liebe eines Verlassenen, in späteren Liedern dann um die Gefühle der Männer, wenn sie einer schönen Frau begegnen.

Fast der gesamte erste Teil des Abends bestand aus einem Mix mehrerer, in einander übergehender Liebeslieder, zu denen sehr bald fast alle im Raum tanzten. Der vorwärts treibende Rhythmus der Instrumente, Ghorbanzadehs von expressiven Tanzbewegungen begleiteter Gesang, seine Ausstrahlung, wenn er den Leuten sein mitreißendes "Kommt, kommt, tanzt, klatscht" zurief, begeisterten sein Publikum. "Fast wie früher", erinnerte sich einer der Tänzer, der so wie die meisten der anderen Frauen und Männer, die sich von der Magie der Bandari-Songs bezaubern ließen, auch nicht mehr zu den Allerjüngsten zählte.

Nach der Pause, in der man sich mit persischen Imbissen stärken konnte, bekamen die Instrumentalisten noch Unterstützung. Ali Reza Pourhosseini, ebenfalls aus dem Iran, und Heidi Eberhardt, die in Schwabhausen Trommelkurse veranstaltet, griffen spontan zu afrikanischen Djemben und mischten sich dann ebenfalls unter die Tanzenden.

Einer der aktivsten auf dem Tanzboden war übrigens Heinz Eder, Dachauer Künstler, der zusammen mit gut einem Dutzend vorwiegend handwerklich begabter Mitstreiter ganz wesentlich zum Erhalt der Alten Schule beigetragen und sie mit verschiedenen Kunstwerken geschmückt hat. Seitdem gibt es kaum eine Veranstaltung in dem Haus, bei der Eder nicht anwesend wäre. Er war auch am Samstag der Erste, der Ghorbanzadehs Einladung zum Mittanzen Folge leistete. Ein Mann der Tat eben, der seit den Anfängen dafür sorgt, dass sich die Lauterbacher Schule mit Leben füllt.

Auf ihre Weise tut das auch Simone Kastl-Frisch von der Volkshochschule Bergkirchen: Ihr ist die Teilnahme geflüchteter Menschen am kulturellem Leben vor Ort wichtig, weshalb sie immer wieder interkulturelle Projekte initiiert oder Möglichkeiten der Begegnung wie den "Asyl-Chor" anbietet. In Letzterem wirkt auch Amin Ghorbanzadeh mit: Über Stimmen wie die seine würde sich auch jeder andere Chor freuen.

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Quelle:
SZ vom 29.04.2019
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