Konzert in der Kulturschranne:Melancholische Seelenlandschaften

Die Blätter fallen, Schwermut macht sich breit. Und The Great Park liefert mit Binoculers die perfekte Musik dazu.

Gregor Schiegl

Der Mann mit der Gitarre blinzelt in die Scheinwerfer. "Very bright", murmelt er. Zu viel Licht. Stephen Burch gibt sich in der Dachauer Kulturschranne bescheiden, fast scheu, was schon deswegen eine kleine Überraschung ist, weil er unter dem großen Namen The Great Park auftritt. Der Singer-Songwriter ist noch ein Geheimtipp in der Independent-Szene. Deswegen hat Kulturamtsleiter Tobias Schneider den gebürtigen Briten und Wahlberliner auch eingeladen. Er wird in Erinnerung bleiben.

Konzert in der Kulturschranne: "Give me a Book of Paper Birds, a Shovel and a Field of Dirt":  Singer-Songwriter Stephen Burch beim Konzert in der Dachauer Kulturschranne.

"Give me a Book of Paper Birds, a Shovel and a Field of Dirt":  Singer-Songwriter Stephen Burch beim Konzert in der Dachauer Kulturschranne.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Great Park entstand in der Zurückgezogenheit einer irischen Farm. Der weite Himmel, die Erde, die Vögel, die Steine im Dreck - das sind die Materialien, aus denen Burch seine Projektionsfläche für seine melancholischen Seelenlandschaften errichtet. Dass die Folksongs nie ins Kitschige abdriften, hat auch mit Stephen Burchs Gesang zu tun, der alles andere als glatt ist. So zittrig, ja, brüchig kommt er oft daher, dass Conor Obersts Stil von den Bright Eyes dagegen schon fast geschliffen wirkt.

Burch ist oft ein bisschen neben dem Ton, weil er seine Songs mehr spricht als singt - das stört nicht. Ein Singer-Songwriter ist immer auch Poet. Und Burch ist ein ganz besonderer. Im sehnsüchtigen "Song for Fee" an eine befreundete Pyromanin beschreibt er die glücklichen Momente mit ihr. Und dann streut er immer wieder diesen Satz als Störfeuer ein: "She lights Fireworks". Was zugleich urkomisch ist und furchtbar traurig.

Burch verstärkt den Effekt durch extreme Betonung der Silben. Literarisch ist das Projekt ebenso so wertvoll wie musikalisch. Man muss nur den Rhytmen und Reimen in den Zeilen wie diesen lauschen: "Our Captain, well, he's no more of a Man than the Sack of Sticks that's me. He's a slim one Jim, just look at him standing up to speak."

Das erste Set des Abends bestreitet Nadja Rüdebusch aus Hamburg alias Binoculers - was man nur unzureichend mit "Ferngläserer" übersetzen kann. Tatsächlich spielt die ehemalige Musiklehrerin mit Perspektiven, zwischenmenschlich in Texten - aber auch musikalisch. Meist sind ihre Songs minimalistisch gehalten, manchmal reduziert auf ein paar wenige filigrane Klangweben, umweht von sanftem Gesang. Aber dann loopt sie ein paar Akkorde, ein rhythmisches Schrammeln, ein paar Töne auf dem Glockenspiel. Und auf einmal entsteht ein klingendes Kaleidoskop. - So schön kann der Herbst sein.

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