Konzert:Davon gerne mehr

Konzert: Das AJE-Trio beim launigen musikalischen Geschichtenerzählen (von links): Andi Rosskopf, Eric Zwang-Eriksson und Jan Kiesewetter.

Das AJE-Trio beim launigen musikalischen Geschichtenerzählen (von links): Andi Rosskopf, Eric Zwang-Eriksson und Jan Kiesewetter.

(Foto: Toni Heigl)

Warum das Trio AJE aus Augsburg vor allem mit musikalischen Geschichten beispielsweise über Leonardo DiCaprio begeistert

Von Andreas Pernpeintner, Dachau

Dass der Jazzclub des Dachauer Jazz e.V. in der Kulturschranne bei Musikern mittlerweile als Topadresse gilt, sieht man daran, welch große Namen sich hier die Klinke in die Hand geben. Doch gehört es von jeher zum Selbstverständnis des Dachauer Jazzvereins, auch aufstrebenden Künstlern aus Deutschland ein Forum zu bieten. Und so sind die drei Herren des AJE Kollektivs aus Augsburg trotz überschaubarer Zuschauerzahl erkennbar stolz, an einem Ort zu spielen, den sie - wie Saxofonist und Klarinettist Jan Kiesewetter in einer seiner trocken humorvollen Moderationen berichtet - schon als Zuhörer besucht haben.

In der ersten Konzerthälfte pflegt das Trio (neben Kiesewetter sind das Andi Rosskopf an der Gitarre und Eric Zwang-Eriksson am Schlagzeug) eine erstaunliche musikalische Reduktion. Manche der Stücke seien zu weiten Teilen auskomponiert, manche entsprängen rein der spontanen freien Improvisation, verkündet Kiesewetter. Nur, wird Letzteres angekündigt, folgt an diesem Abend meistens eine eher gemächliche Klangschichtung: eine rhythmisch freie Percussionskulisse des Schlagzeugs, grundierende Impulse der Gitarre, dazu eine versonnen mäandernde Melodie der Klarinette. Das ist nicht gerade betörend - wenngleich stringent im Ausloten einer bestimmten Atmosphäre. Keine Frage, die Konsequenz dieses Trios, sich in einem Stück ein ganz bestimmtes musikalisches Parameter vorzuknöpfen, ist durchaus interessant. Zum Beispiel, wenn gleich zu Beginn einer solchen Komposition ein kollektiv geformtes Pattern etabliert wird und der musikalische Spannungsbogen dann insbesondere darin besteht, dieses Pattern in seiner Gestalt praktisch unverändert durch einen Lautstärke-Transformationsprozess zu schicken.

In einer anderen Komposition, "Schmeichelstreich" genannt, gibt es rein geräuschhafte Farbenmusik: Kiesewetter quietscht auf einem Saxofonfragment (nur Mundstück und S-Bogen) vor sich hin, dazu gibt's Glissando-Effekte von Rosskopfs Gitarre, und Zwang-Eriksson fieselt mit einem Streicherbogen auf einem Mini-Schlagzeugbecken herum. Das ist wohl keine Minimal Music, aber in gewissem Sinne trotzdem eine Minimalmusik.

Dennoch ist es angenehm, dass das AJE Kollektiv schließlich dazu übergeht, die Expressivität seines Tuns zu steigern; zumal Kiesewetter angekündigt hat, die zweite Konzerthälfte folge einem Konzept. Hört, hört. Dieses Konzept besteht im musikalisch nachvollziehbaren Geschichtenerzählen - und das ist ein wirklich starker Kontrast zum ersten Set. Los geht es damit allerdings schon unmittelbar vor der Pause: Das Stück "Sprengmeister Karl" ist keineswegs von vorne bis hinten eruptiv brachial, wie es einem Sprengmeister und seinem Wirken vermeintlich zustünde. Sondern es ist erstaunlich vielteilig, hebt zum plötzlichen Inferno auf, reißt ab (ein Sprengmeister muss ja mit Bedacht vorgehen), setzt erneut an. Das ist im Klangergebnis sehr bruchstückhaft - aber auch Bruchstücke passen zum Sprengmeistersein letztlich hervorragend. Eine Sprengmeister-Rhapsodie. Lustig.

Die beste Geschichte des Abends ist jedoch die von Leonardo DiCaprio. Auf der Jagd nach seinem lange ersehnten ersten Oscar wühlte der sich in seinem Film "The Revenant" ja durch sämtlich Indianerscharen, Tierkadaver und Körpersekrete, die der Wilde Westen zu bieten hat, Bärenattacke inklusive. "Der Bär" heißt somit die Komposition des AJE-Kollektivs dazu. Und wie eindrücklich dieser Bär hier durch Kiesewetters Saxofon schnauft und röchelt, wie grummelig er aus dem Gitarrenverstärker herausbrummt - diese gewitzte Lust am simpel Bildhaften ist wirklich unterhaltsam.

Dass diese zweite Konzerthälfte durch prägnante Grooves von Schlagzeug und Gitarre und brachial geblasene Saxofon-Linien obendrein deutlich temporeicher daherkommt als die erste, trägt weiter zur gesteigerten Ausdrucksintensität bei. Davon gerne mehr.

Das nächste Konzert des Jazz e.V. bringt das deutsche Ensemble Panzerballett in die Kulturschranne. Freitag, 24. Februar, 20 Uhr. Karten und Reservierungen: www.jazzev.de. Danach folgen Heavy Metal Rabbit und Jemeel Moondoc.

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