Süddeutsche Zeitung

Komödie:Sexuelle Feuerkraft und schöne Füße

"Hier sind Sie richtig!" mit amourösen Irrungen und Wirrungen ist eine erfrischende Komödie im Theatersommer

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

Langer schwarzer wehender Mantel, dicke Zigarre im Mund, lasziv-dominanter Gang: So schreitet eine dunkelhaarige Frau auf die Bühne - und zieht die Blicke aller Zuschauer magisch an. Spielt einem das vom monatelangen unfreiwilligem Kulturentzug ausgetrocknete Hirn hier einen bösen Streich? Nein, es sind nicht die Salzburger Festspiele mit der unvergleichlichen Cecilia Bartoli in Händels Oper Aridodante. Es ist vielmehr Samstagabend und es ist die Freiluftpremiere des Theatersommers Bergkirchen vor der alten Schule in Lauterbach. Auf dem Spielplan steht "Hier sind sie richtig!", ein Schwank von Marc Camoletti. 70 Zuschauer haben - entsprechend den derzeit geltenden Vorschriften - ihren Platz gefunden. Unter ihnen ist Bezirkstagspräsident Josef Mederer. Er hat noch vor Beginn der Vorstellung eine erfreuliche Nachricht zu verkünden: Auch heuer unterstützt der Bezirk Oberbayern das Hoftheater und dessen Schultheatersparte, die Neue Werkbühne, mit einem stattlichen Betrag. Das Besondere: Coronabedingt gilt die Förderung auch für Theaterprojekte, die nicht realisiert werden können, aber bereits in Arbeit sind.

Doch zurück zu der Frau mit der vor Leidenschaft vibrierenden dunklen Stimme (Verena Konietschke, die auch Regieassistentin ist). Sie passt so hervorragend in das komödiantische Verwirrspiel, dass Camoletti selbst sie "erfunden" haben könnte. Hat er aber nicht. Regisseur Herbert Müller hat dieses Spiel mit den Geschlechtern und noch etliche andere Wow-Effekte in das Stück eingebaut. Das tut dem Schwank und dem gesamten Ensemble richtig gut.

Und das Publikum? Biegt sich vor Lachen, selbstredend im gebotenen Sicherheitsabstand zum Sitznachbarn und zur Bühne. Denn dort geht es drunter und drüber. Hat doch Georgette, ein etwas in die Jahre gekommener Vaudeville-Star, in ihrem Haus so eine Art WG mit Jacqueline, der Malerin ohne männliches Modell vom Typ "Spartacus", und mit Janine, der Gitarrenlehrerin ohne Schüler etabliert. Die Vierte im Frauenbunde ist Dienstmädchen Berthe. Alle Frauen sind unzufrieden. Georgette (Janet Bens mit umwerfender Diva-Attitude und grellem Kopfputz) ist den ewigen Ärger mit ihren Mitbewohnerinnen leid.

Das Haus soll vermietet werden. Eine Zeitungsannonce - aus Gründen der Sparsamkeit mit vielen Kürzeln - soll dabei helfen. Eines davon: VSF - Voraussetzung solide Familie. Auf gleichem Weg sucht Jacqueline (Lisa Bales als energischer, selbstbewusster und selbstverliebter Möchtegern-Star der Künstlerszene) ihr Traummodell: VSF - Voraussetzung schöne Füße. Auch die schüchterne und gekonnt mit ihrer längst verblühten Jungmädchenhaftigkeit spielende Janine (eine liebreizende Sarah Giebel) gibt eine Annonce auf. Ihr VSF: Voraussetzung sichere Fingerfertigkeit. Auch die nervige Nachbarin Catherine (Annette Thomas als personifizierte Ratschkathl) sucht einen Mann. Ihr VSF: Verjährte sexuelle Feuerkraft. Wenn schon, denn schon, denkt sich die gewitzte Berthe (die quirlige Annalena Lipp als Auge im Sturm der Frauenpower) und gibt ebenfalls eine Anzeige auf, sucht sie doch den Mann fürs Leben oder für einen Teil davon. Ihr Auswahlkriterium: Der Typ muss VSF - Vorliebe für sentimentale Filme - haben. Selbstredend weiß keine von der Annonce der anderen.

Es kommt, wie es kommen muss. Die Herren Bewerber trudeln ein. Der künftige Spartacus (Ansgar Wilk als in jeder Beziehung stattlicher, selbstverliebter Macho, der auch vor einem Demi-Strip nicht zurückzuckt) trifft auf die zurückhaltende Gitarrenlehrerin. Der unbeholfene junge Bertrand (Tobias Zeitz in Rentnerbeige mit Aufräumzwang und Blümchen in der Hand) fällt statt der künftigen Ehefrau dem Schrapnell von Vaudeville-Star fast in die Arme, die wiederum nur zu gerne ihre Vorzüge anpreist: "Man hebt nicht ungestraft 20 Jahre lang das rechte Bein". Der solide Möchtegern-Hausmieter (Jürgen Füser als idealtypischer Beamter) weiß nun wirklich nicht, warum er Malerin Jacqueline seine Füße zeigen soll, zeigt aber gerne noch mehr. Und Jeanette, diese Gestalt aus einer anderen Welt und zugleich eine den Tönen verfallene Musikschülerin, bringt Malerin Jacqueline mit einem Tango zum Glühen. Oder ist es vielleicht doch ein Jean, der sich hinter der mit einer glutroten Rose geschmückten Maske verbirgt? Doch wer will das schon so genau wissen, wenn die frechen Wortgefechte, die irren Tanz- und Spielszenen dem Publikum mindestens ebenso viel Vergnügen bereiten wie dem mit Enthusiasmus und totaler Hingabe spielenden Ensemble. "Hier sind sie richtig!", lässt sich da nur noch all denen sagen, die einen Abend lang herzerfrischendes Sommertheater genießen wollen.

Weil viele Vorstellungen bereits ausverkauft sind, wird der Theatersommer auf der Freilichtbühne Lauterbach um eine Woche verlängert bis zum 22. August, mit drei zusätzlichen Vorstellungen von "Hier sind Sie richtig!" Die Zusatztermine sind am Donnerstag, Freitag und Samstag, 20./21./22. August, jeweils um 20 Uhr. Restkarten gibt es noch für 9., 18. und 31. Juli.

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Quelle:
SZ vom 09.07.2020
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