Und schon wieder ist es die Briefwahl, die an den Nerven des amtierenden Bürgermeisters Josef Baumgartner (Freie Wähler) zehrt. Ganze 5126 Kuverts muss er nun schnellstmöglich verschicken, für die Stichwahl seiner beiden möglichen Nachfolger Florian Scherf (CSU) oder Wolfgang Hörl, Bürgerblock Arnbach (BBA), in 14 Tagen. Baumgartner, der nicht mehr kandidierte, hat jetzt einiges am Hals. Die hauseigene Frankiermaschine schafft nur 500 Kuverts am Tag. "So ein Wahnsinn", seufzt er am Telefon. Gerade war Baumgartner also noch Briefmarken einkaufen, nun widmet er sich wieder den aktuellen Hochrechnungen. Denn seit gestern Abend ist dort ein Balken unerwartet hoch: Nach dem Stand am Montagabend wird die erstmals angetretene Liste Oberroth (LO) mit mindestens zwei Sitzen in den Gemeinderat einziehen.
Dass man in Schwabhausen auch einen Tag nach der Wahl noch immer nicht von einem endgültigen Ergebnis sprechen kann, auch das liegt an der Briefwahl. Genauer gesagt an deren Auswertung: Das Programm, mit dem die Stimmen ausgezählt werden sollten, versagte kurz nach der Auszählung der Stimmen für die Bürgermeisterwahl. Der Lesestift der Maschine war kaputt, sie piepste dreimal, schrieb aber nur zwei Kreuzchen auf. "Komplett abgeschmiert", schimpft Baumgartner. Das habe man noch nie erlebt. Mit den endgültigen Ergebnissen rechnet man nun erst am Dienstagmorgen. Bislang sieht es zwar schon so aus, als behielte die Fraktionsgemeinschaft aus Freien Wählern und dem Bürgerblock Arnbach die Mehrheit im Gemeinderat. Doch auch so, als würde die LO den Christsozialen einen, den Freien Wählern sogar zwei Sitze abgreifen.
Seinen Anfang nahm dieser überraschende Siegeszug der Oberrother vor zwei Jahren, als sich in dem rund 850 Einwohner starken Dorf erstmals Widerstand regte. Widerstand gegen einen Mobilfunkmasten. Die Gemeinde hatte geplant, diesen in der Nähe des Oberrother Friedhofs aufzustellen. In dem Ort stieß das auf großen Unmut, dieser jedoch auf wenig Gehör. Man sammelte Unterschriften, doch wenig geschah. Nun prüft der Mobilfunkanbieter noch immer den geplanten Standort. So fühlte man sich in Oberroth, als würde man nicht nur gegen Mobilfunkmasten kämpfen, sondern auch gegen Windmühlen. Die der Schwabhausener Gemeinde, welche die Interessen der Oberrother Bürger scheinbar außen vor ließ. Im Mai 2019 machte sich eine Gruppe von aufgebrachten Oberrothern also auf, sich selbst einen Platz im Gemeinderat zu erstreiten - rund 45 Mitglieder zählt der Verein hinter der Liste, und nun sitzt man im Gemeinderat. Das lag an der massiven Rückendeckung aus ihrem Heimatort: Im Stimmbezirk Oberroth wählten sie 73,87 Prozent. Die streitlustigen Politikneulinge werden sich auf den Plätzen niederlassen, auf denen einige der Politikurgesteine der Gemeinde jahrelang über Schwabhausens Belange abstimmten. Um was geht es den Neulingen, mal abgesehen von ihrem Widerstand gegen die bisherigen Gemeindeobrigkeiten? "Wir wollen, dass man wieder miteinander Politik macht", erklärt deren Sprecher Gerhard Geserer. Die Transparenz, das sei ihnen einfach abgegangen. Und im gemeinsamen Kampf gegen den Mobilfunkmasten hätten sie erkannt, dass man auch in Oberroth gemeinsam Politik machen könne. "Man dachte immer, das geht hier nicht - weil wir eben nicht so einen Block haben wie in Arnsbach, wo sich alle einig sind", so der 59-Jährige.
Ob nun zwei oder drei Sitze, mit dem Ergebnis ist die LO sehr zufrieden. Nur das mit der Briefwahl, das sei nun wirklich eine leidige Angelegenheit. Er sei ja selbst seit 30 Jahren Wahlhelfer, sagt Geserer - "aber so etwas habe ich noch nie erlebt".