Kommunalwahl in Dachau:Die Macht ist männlich

Auch nach der Kommunalwahl gibt es keine einzige Bürgermeisterin im Landkreis. In den politischen Gremien sind Frauen zum Teil sogar noch schwächer vertreten als zuvor. Dabei wäre ihr Beitrag für alle sehr wichtig

Von Jacqueline Lang, Dachau

Zwei Tage nach der Kommunalwahl, am 17. März, war "Equal Pay Day". Der Aktionstag wurde ins Leben gerufen, um darauf aufmerksam zu machen, dass Frauen im Schnitt 21 Prozent weniger verdienen als Männern in der gleichen Position. 77 Kalendertage arbeiten sie nach dieser Rechnung faktisch umsonst. Gleichberechtigung - das zeigt dieses Beispiel sehr anschaulich - ist immer noch keine Selbstverständlichkeit. Etwas daran verändern wird sich vermutlich nur, wenn Frauen in Positionen mit Verantwortung kommen - doch gerade auf kommunalpolitischer Ebene sind sie immer noch unterrepräsentiert. Der Landkreis Dachau bildet dabei keine Ausnahme.

In Schwabhausen etwa sind von den insgesamt 20 frisch gewählten Gemeinderäten gerade mal zwei weiblich, in Markt Indersdorf sind es nur fünf von 24, in Karlsfeld sind von 30 Sitzen immerhin zwölf von Frauen besetzt - in keiner der insgesamt 17 Landkreisgemeinden sind Frauen aber zu 50 oder gar mehr Prozent vertreten. Selbst im Kreistag liegt der Frauenanteil bei bescheidenen 30 Prozent. In einigen Gemeinden sitzen im neuen Gemeinderat sogar noch weniger Frauen als bisher. In Vierkirchen etwa waren es bislang fünf, nun sind es nur noch drei.

Eine, die daran etwas ändern will, ist Sabrina Spallek von den Grünen in Haimhausen. Die 40-Jährige, die in der Mittagsbetreuung Haimhausen arbeitet, ist, das sagt sie von sich selbst, ein "Politikneuling". In einem politischen Gremium hat sie bislang noch nie gesessen, doch bei der Kommunalwahl hat sie sich als Bürgermeisterin zur Wahl gestellt. Bürgermeister ist am Ende Peter Felbermeier (CSU) geblieben, doch Spallek wird ab sofort sowohl im Kreistag als auch im Gemeinderat die Grünen vertreten - letzteres gemeinsam mit drei anderen Frauen.

Ihre eigene Partei, das erzählt sie, habe ihr sehr viel Rückhalt gegeben und auch ihr Mann habe sie ermutigt. "Mir ist klar, dass das leider noch immer keine Selbstverständlichkeit ist", sagt Spallek. Denn neben dem vielen positiven Feedback habe sie auch zu hören bekommen, was für "arme Kinder" sie doch habe, weil sie für die dann ja sicher gar keine Zeit mehr habe. Aussagen die, wie Spallek anmerkt, leider nicht nur von Männern gekommen seien. Die zweifache Mutter will anderen jungen Frauen ein Vorbild sein: "Ich will zeigen, dass sich politisches Engagement und Mutter sein nicht ausschließen müssen."

Der Umstand, dass auf der Haimhausener Liste der Grünen überdurchschnittlich viele Frauen kandidiert haben, freut sie - auch wenn sie weiß, dass das selbst in ihrer Partei eher eine Ausnahme ist. Bereits 2009 wurde mit der Kampagne "Frauen Macht Kommune" vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend der Versuch unternommen, Frauen dazu zu ermutigen, sich in der Kommunalpolitik einzubringen. Gebracht hat das augenscheinlich nicht viel, denn heute, mehr als zehn Jahre später, wird laut dem Deutschen Städte- und Gemeindebund immer noch nur jedes zehnte Rathaus von einer Frau geführt, in den kommunalen Vertretungen sind nur rund 27 Prozent aller Mandate mit Frauen besetzt. Gleichzeitig sträuben sich Parteien wie die CSU nach wie vor gegen eine Quote oder paritätisch besetzte Listen.

Emmi Westermeier ist seit mehr als zwei Jahrzehnten in der Kommunalpolitik aktiv. Fast hätte die 60-jährige CSUlerin auch einmal für das Amt des Bürgermeisters in Weichs kandidiert, aber dann habe es ein parteiinternes Zerwürfnis gegeben. "In der Politik werden schon gerne mal die Ellenbogen ausgefahren, vor allem von Männern", ist alles, was sie dazu sagt. Davon abgehalten politisch aktiv zu sein, hat es sie nicht: Zwölf Jahre später sitzt sie in der dritten Wahlperiode im Kreistag.

Als Grund dafür, dass nach wie vor so wenige Frauen politisch aktiv sind, sieht Westermeier die Doppelt- und Dreifachbelastung, der diese häufig immer noch ausgesetzt sind: Kinder, Haushalt, Arbeit. "An der Frau bleibt immer noch mehr hängen", glaubt Westermeier - auch wenn das vielleicht bei jüngeren Frauen mittlerweile ein wenig ausgeglichener sei. Westermeier jedenfalls ist überzeugt: "Wir Frauen müssen zusammenhalten." Und das tun sie offenbar auch: Wenn es um "Frauenziele" gehe, dann sei der Zusammenhalt unter den Kommunalpolitikerinnen im Kreistag jedenfalls immer groß, sagt Westermeier - über alle Parteigrenzen hinweg.

Westermeier ist außerdem überzeugt, dass gerade Landwirtinnen das Zeug zu guten Politikerinnen haben, weil sie von jeher gelernt haben zuzupacken. Beleg für diese These ist nicht nur sie selbst, sondern auch Dagmar Wagner (Freie Wähler), die als Geschäftsführerin beim Bayerischen Bauernverband in München tätig ist. Die 49-jährige Bergkirchnerin hat als einzige Frau für das Amt des Landrats kandidiert. "Oben anklopfen, Mädchen", zitiert Wagner ihren Vater, wenn man sie fragt, ob sie nicht darüber nachgedacht hätte, es erst einmal als Bürgermeisterin zu probieren. Dass sie eine Frau ist, sei im Wahlkampf nie ein Nachteil gewesen, im Gegenteil. "Man konnte mich zumindest nicht verwechseln", sagt Wagner und schmunzelt.

Warum aber ist das Fehlen von Frauen in der Kommunalpolitik überhaupt ein Problem? "Dabei geht es nicht nur um demokratische Gesichtspunkte, die einen höheren Frauenanteil erfordern. Es geht vielmehr um bessere Politik in den Kommunen insgesamt. Frauen bringen Kompetenzen, Sichtweisen und Erfahrungen mit, die unverzichtbar sind und die örtliche Gemeinschaft stärken", fasst Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, die Lage beim ersten Frauenkongress kommunal in Mainz Ende des vergangenen Jahres zusammen. Der Kongress ist ein weiterer Versuch, Frauen in der Kommunalpolitik stärker zu fördern.

"Ich bin den älteren Frauen dankbar, dass sie uns den Weg ein stückweit geebnet haben", sagt Lena Eberl (CSU) aus Vierkirchen. Aus deren Erzählungen wisse sie, dass es früher noch sehr viel schwieriger gewesen sei, sich als Frau in der Politik zu behaupten. Heute sei es immerhin kein Problem mehr, wenn sie ihre kleine Tochter mit in eine Sitzung nehme. "Von 60 Anwesenden rollt vielleicht mal einer mit den Augen", so die 34-jährige Unternehmensberaterin und Mutter von zwei kleinen Kindern. Sie ist überzeugt: Nur wenn mehr junge Frauen in den Gremien sitzen, werden diese auch familienfreundlicher. Man müsse das System von innen verändern, sagt Eberl.

Die sozialdemokratische Stadträtin Sofia Kyriakidou, 54, sagt, sie habe über die Jahre beobachtet, wie Dachaus Gesellschaft moderner, offener geworden sei. Auch auf kommunalpolitischer Ebene sei Dachau heute nicht mehr "so erzkonservativ", sagt Kyriakidou, die nun ihre zweite Wahlperiode antritt. Ihre Partei, die SPD, bemühe sich ohnehin schon seit langem um Diversität in jederlei Hinsicht, so die gebürtige Griechin. Im Stadtrat komme man in der heutigen Zeit jedenfalls auch als Frau problemlos zu Wort - ohne ein vermeintlich männliches Dominanzgehabe.

Mit Lena Wirthmüller, 30, auf Listenplatz eins hat das Bündnis für Dachau erstmals für den Kreistag kandidiert. Wirthmüller, die für die Caritas arbeitet, sagt, bei der Verteilung auf der Liste habe man selbstverständlich auf eine "gute Verteilung" geachtet. In erster Linie entscheidend sei aber immer die Kompetenz, nicht das Alter oder das Geschlecht. Sie persönlich habe auch nicht das Gefühl, jemals anders behandelt worden zu sein, nur weil sie eine Frau ist - aus Erzählungen von anderen wisse sie aber natürlich, dass das vorkomme. "Patriarchale Strukturen herrschen in unserer Gesellschaft eben leider immer noch vor", sagt Wirthmüller. Sie hofft allerdings, dass sich das Thema in spätestens zehn Jahren endgültig erledigt hat.

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