Konservative im Stadtrat Dachau:Ein schöner Scherbenhaufen

Das bürgerliche Lager hat den Kontakt zu seinen Wählern verloren. Für einige Gruppierungen und Parteien könnte das sogar existenzbedrohend sein.

Kommentar von Thomas Radlmaier

Nach dem haushohen Sieg des SPD-Oberbürgermeisters Florian Hartmann erleben Dachaus konservative Parteien das nächste und viel schlimmere Debakel: Die Wähler haben die Mehrheit des bürgerlichen Lagers im Stadtrat pulverisiert. CSU, ÜB, FWD - sie alle verlieren dramatisch an Sitzen. Von ihrer einstigen Stärke bleibt nur ein Scherbenhaufen. Für sie beginnen nun harte Zeiten. Die Allianz aus SPD, Grüne und Bündnis hat fortan das Sagen im Stadtrat. Das hat es in Dachau in den vergangenen Jahrzehnten noch nie gegeben. Das Wahlergebnis bestätigt: Die konservativen Parteien sind im freien Fall. Sie stecken in einer Identitätskrise, die bei so mancher alteingesessenen Partei sogar existenzbedrohend ist.

Der Einbruch des bürgerlichen Lagers hat eine ganze Reihe von Gründen. Der entscheidende aber ist: Die konservativen Parteien haben den Kontakt zu den Menschen verloren. Sie befinden sich einem Inhaltsvakuum. Die Themen, die sie für wichtig halten, sind für die Menschen eher unwichtig. Peter Strauch hat versucht, mit Finanzpolitik Wahlkampf zu machen. Das ist ungefähr so, als würde man in der Zirkusmanege versuchen, das Publikum mit Aktienkursen zum Lachen zu bringen. Der Kontaktverlust ist insbesondere für die CSU dramatisch. Schließlich definieren sich die Christsozialen auch dadurch, dass sie so tief in der bayerischen Gesellschaft verwurzelt sind. Der gekappte Kontakt bedingt den zweiten Grund für die konservative Identitätskrise: Alle bürgerlichen Parteien haben im Wahlkampf eine fatale Strategie verfolgt. Sie haben einen Lager-Wahlkampf geführt und die Allianz aus Bündnis, SPD und Grüne immer wieder als "Linksbündnis" bezeichnet. Sich selbst haben sie dabei in der Mitte verortet. Doch der Gegensatz Rechts-Links hat sich schon lange überholt. Es gibt neue Konfliktlinien im Bund und vor allem in der Kommunalpolitik. Wo Parteizugehörigkeit seit jeher eine geringere Rolle spielt, kann die Mitte-gegen-links-Strategie kaum verfangen. Stattdessen fehlen Antworten auf die Frage: Was wählt man eigentlich, wenn man die Mitte wählt? Und wo genau ist die politische Mitte und wofür steht sie? Vor allem die Dachauer CSU muss in den nächsten Jahren Antworten dafür finden und sich neu erfinden, wenn sie ihren Machtanspruch beibehalten will.

Das wird alles andere als einfach in einem Stadtrat, dem nun sechs konservative Parteien und die rechtsextreme AfD angehören. Noch nie war das bürgerliche Lager in Dachau so zersplittert. Entscheidend wird sein, wer sich in den folgenden Jahren in der Rolle der Opposition profilieren kann. Die ständig wechselnden Mehrheiten im Dachauer Stadtrat haben vor allem den Konservativen geschadet. Es ist viel Aufbauarbeit nötig. Viele Wähler haben das Vertrauen in die konservativen Parteien verloren.

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