Süddeutsche Zeitung

Kommunalpolitiker in Dachau:13 Neue im Stadtrat

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Wenn am 5. Mai die konstituierende Sitzung stattfindet, werden unter den 40 Dachauer Kommunalpolitikern 13 neue Gesichter sein und sogar zwei neue Parteien: die AfD sowie die Linke. Hier die Beweggründe und Ziele der Gewählten

Von Julia Putzger und Andreas Förster, Dachau

Am 5. Mai werden die neuen Dachauer Stadträte in der konstituierenden Sitzung vereidigt - unter den 40 Politikern sind neben vielen altbekannten Gesichtern auch 13 Neulinge. Viele von ihnen haben zuvor bereits erste politische Erfahrungen gesammelt - beispielsweise im Jugendrat. Erstmals im Stadtrat vertreten sind jedoch nicht nur diese 13 Stadträte, sondern auch zwei neue politische Gruppierungen: Die AfD stellt mit Jürgen Henritzi und Markus Kellerer zwei Stadträte. Den Einzug in den Stadtrat auf Anhieb geschafft, hat auch Sophia Beljung, die für die Partei und die Linke kandidierte.

Besonders viele Neuzugänge verzeichnet die SPD, in deren Reihen fünf neue Gesichter zu finden sein werden. Dank des Wahlerfolgs fallen den Sozialdemokraten statt bisher sieben nun elf Sitze zu. Über Verstärkung freuen sich auch die Grünen, zu deren vier bisherigen Vertretern zwei weitere hinzukommen. Die Freien Wähler hingegen verloren einen ihrer drei Sitze, weshalb der langjährige Stadtrat Edgar Forster nicht mehr mit von der Partie sein wird. Außerdem wird an der Seite von Robert Gasteiger künftig Markus Erhorn im Stadtrat sitzen. Auch das Lager der CSU schrumpfte um ein Drittel. Zwei neue Stadträte gibt es in der neuen Amtsperiode auf deren Sitzen. Einer von ihnen ist allerdings sicher nicht als politischer Neuling zu bezeichnen: Tobias Stephan saß bereits zwölf Jahre lang im Kreisrat.

SPD

Die meisten Neuen hat die SPD (von links): Ramon Rümler,

Sedef Moustafa,

Dennis Behrend,

Andreas Gahr,

und als jüngster Stadtrat sitzt nun Berkay Kengeroglu im Gremium.

Die fünf neuen Stadträte der SPD wollen jeweils ganz eigene Schwerpunkte in ihrer politischen Arbeit setzen: Kinderarzt Ramon Rümler möchte dazu beitragen, "dass die Lobby der Kinder verbessert und ausgebaut wird." Dazu zählten unter anderem der kinderärztliche Bereitschaftsdienst und der Aufbau einer Kinderstation im Landkreis. Als jüngster gewählter Vertreter möchte sich Berkay Kengeroglu in erster Linie für die Belange der Jugend einsetzen. Der 19-jährige Student ist auch Sprecher des Dachauer Jugendrats und sagt über sein neues politisches Amt: "Jetzt war der passende Zeitpunkt, einen Schritt weiter zu gehen und mich für alle Dachauer einzusetzen." Er wolle künftig viele neue Kontakte knüpfen und das Gespräch suchen, "denn nur so gelingt gute Kommunalpolitik." Die 33-jährige Juristin Sedef Moustafa sagt: "Als gebürtige Dachauerin ist es für mich eine große Ehre, in meiner Stadt an Entscheidungen und Veränderungen unmittelbar mitwirken zu können. Ich will mich für die berufliche und gesellschaftliche Gleichstellung der Frau und für bezahlbaren Wohnraum einsetzen." Außerdem brauche es noch mehr qualitativ gute Kinderbetreuung.

Andreas Gahr sieht die Themen Sport, Umwelt und Wirtschaft als seine Schwerpunkte. Die aktuelle Situation habe die Freude auf die anstehenden Aufgaben leider deutlich getrübt. "Die Priorität wird sein, auch als Kommune möglichst unbeschadet durch die aktuelle Krise zu kommen." Diesbezüglich erklärt Dennis Behrendt: "Mir ist wichtig, dass beim Umgang mit den Folgen der Corona-Pandemie besonders auf die Menschen in unserer Gesellschaft geachtet wird, denen es sowieso schon nicht so gut geht." Damit zum Wohl der Bürger entschieden wird, hofft er, dass sachliche Inhalte bei den Diskussionen im Vordergrund stehen.

CSU

Der Ortsvorsitzende und neue Stadtrat Tobias Stephan sieht die Bewältigung der Coronakrise als größte Herausforderung in dieser Wahlperiode an. Das betreffe auch die politische Arbeit in Sitzungen und Ausschüssen: "Wir müssen eine kluge Lösung finden, denn die Einschränkungen können nicht Monate oder Jahre anhalten, auch weil für den Diskurs der persönliche Kontakt wichtig ist." Seinem Kollegen, dem Bäcker Christian Hartmann, liegen vor allem die Themen Verkehr, Umwelt und Bau am Herzen. "Ich denke, dass wir unbedingt und dringend eine Umgehungsstraße brauchen. Dann können wir auch Radwege und verkehrsberuhigte Zonen einrichten. Aber vorher muss der Verkehr raus aus Dachau. Sonst wird alles nur noch langsamer und wir verpesten die Luft noch mehr." Außerdem sei er ein Verfechter davon, lieber höher zu bauen und dafür mehr Flächen für andere Projekte zur Verfügung zu haben.

Für die CSU: Christian Hartmann

und Tobias Stephan.

Für die Grünen: Richard Seidl

und Sarah Jacob

Während Christian Hartmann sich über "ein superklasse Wahlergebnis" freut - er wurde vom 20. Listenplatz auf den 6. nach vorne gehäufelt -, bedauert Tobias Stephan die generellen Stimmverluste der CSU. Trotzdem wolle er sich nicht in die "Schmollecke verziehen", sondern konstruktiv mitarbeiten. "Fundamentalopposition" sei nicht angesagt.

Grüne

"Wir müssen den Herausforderungen unserer Zeit wie der Klimakrise, der Digitalisierung oder dem Wohnungsmangel mit Umsicht, aber auch mit Zuversicht begegnen", sagt Richard Seidl. Durch "Lösungen von gestern" lasse man jedoch viele Chancen ungenutzt. "Gerade wenn man Kritik übt, bedeutet Demokratie aber nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, sich einzubringen und Verantwortung für das Ganze zu übernehmen", ergänzt der 33-jährige Lehrer. Er möchte sich deshalb besonders dafür einsetzen, dass Dachau "in seiner besonderen Situation mit enormem Wachstumsdruck und an der Schnittstelle zwischen Stadt und Land" langfristig tragbare Lösungen findet. Außerdem sei ihm der verantwortungsbewusste Umgang mit der Geschichte der Stadt ein wichtiges Anliegen.

Seine neue Stadtratskollegin, die 29-jährige Finanzfachwirtin Sarah Jacob, möchte sich besonders für einkommensabhängige Kitagebühren stark machen. Über die künftige Zusammenarbeit im Stadtrat sagt sie: "Auch ohne eigene Mehrheiten im Stadtrat hoffe ich, dass wir viel bewegen können. Unser Ziel ist es, Mehrheiten für unsere Anträge zu finden und mit den anderen Fraktionen gut und konstruktiv zusammenzuarbeiten." Bisher war Jacob unter anderem als Kassierin im Kreisverband der Grünen aktiv. Jetzt wolle sie "einen Schritt weitergehen und sich aktiv in der Politik vor Ort engagieren", erklärt sie ihre Motivation.

AfD

Markus Kellerer und Jürgen Henritzi erwarten in Folge der Covid-19-Pandemie eine Wirtschaftskrise, in welcher der Dachauer Haushalt mit viel weniger Einnahmen auskommen muss. Die Stadtverwaltung müsse sich deshalb auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. "Für Auswüchse der Genderideologie, freiwillige Zuschüsse für Asylhelferkreise, den Kampf gegen Rechts, Diversity oder interkulturelle Maßnahmen sollte Steuergeld eingespart werden", erklären die beiden. Zum Ziel gesetzt haben sie sich auch, das Bürgermagazin der Stadt einzustellen, die Digitalisierung voranzutreiben, das Baurecht zu entbürokratisieren und das Trachtenmesserverbot am Dachauer Volksfest zu kippen. Klimahysterie lehnen sie ab, Radwege sollen ausgebaut werden, aber ohne dadurch den Autoverkehr zu benachteiligen.

Für die Zusammenarbeit im Stadtrat wünschen sie sich Fairness ihnen gegenüber: "Die AfD-Stadtratsfraktion ist vom Bürger gewählt und sollte dementsprechend fair und gleichberechtigt behandelt werden." Mit dem Ziel, eine konservative Volkspartei zu werden, wolle man auch in der Kommunalpolitik einen Beitrag leisten und "mit gesundem Menschenverstand Sachpolitik betreiben".

Von der AfD: Jürgen Henritzi

und Markus Kellerer.

Markus Erhorn für die Freien Wähler

Sophia Beljung für die Linke.

Freie Wähler

Markus Erhorn, der sich zwar erfolglos um das Bürgermeisteramt beworben hatte, sich aber immerhin einen Sitz im Stadtrat sichern konnte, nennt als seine oberste Priorität den Haushalt der Stadt: "Wir müssen vor allem sinnvolle und nachhaltige Ausgaben machen, von denen alle in Zukunft profitieren. Wenn wir nicht ganz klar aufpassen, befürchte ich, dass es in sechs Jahren düster ausschauen könnte." Auf Grund seines Engagements im Trachtenverein D'Ampertaler Dachau läge ihm zudem viel an den Themen Kultur, Brauchtum und Vereine. Sein erstes Jahr im Stadtrat sieht Erhorn als "Lehrjahr" an: "Klar wird man als neuer Stadtrat nicht gleich die Welt einreißen können, aber ich möchte mich so schnell wie möglich einarbeiten." Gespannt sei er dabei auch, wie kleinere Gruppierungen wie die Freien Wähler in die Arbeit im Stadtrat mit einbezogen werden.

Die Partei/Die Linke

Sophia Beljung zieht als neue Stadträtin für die Kooperation von die Partei und die Linke in den Stadtrat ein. Da mehrmalige Kontaktversuche scheiterten, lagen bei Redaktionsschluss leider keine Statements von Beljung vor.

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SZ vom 27.04.2020
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