Kommunalpolitiker gehen auf Konfrontation:Diesel-Urteil entzweit Dachau

Kommunalpolitiker gehen auf Konfrontation: Stickoxid-Werte von mehr als 40 Mikrogramm pro Kubikmeter hat ein Bündnis aus Naturschützern und Kommunalpolitikern in der Dachauer Mittermayerstraße gemessen. Hier könnte ein Fahrverbot für Diesel-Fahrzeuge womöglich in Betracht kommen.

Stickoxid-Werte von mehr als 40 Mikrogramm pro Kubikmeter hat ein Bündnis aus Naturschützern und Kommunalpolitikern in der Dachauer Mittermayerstraße gemessen. Hier könnte ein Fahrverbot für Diesel-Fahrzeuge womöglich in Betracht kommen.

(Foto: Toni Heigl)

Die Stadt leidet unter zu hohem Schadstoffausstoß. Oberbürgermeister Hartmann will nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ein Fahrverbot prüfen. Die CSU hält dagegen - und im Internet tobt eine Debatte

Von Benjamin Emonts, Dachau

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Dienstag, das Kommunen grundsätzlich Fahrverbote für Dieselautos ermöglicht, hat in der Stadt Dachau hohe Wellen geschlagen. Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) sagte der SZ, dass man sich das Urteil in den kommenden Tagen genau ansehen wolle und prüfen werde, ob das Fahrverbot auch für Dachau relevant sein könnte. Denn auch in der Stadt liegt der Schadstoffausstoß in manchen Gebieten weit über dem EU-Grenzwert. Viele Dachauer diskutierten am Dienstag im Internet über das Urteil und äußerten Befürchtungen, dass ihre Dieselautos nun wertlos werden könnten. Der Grünen-Kreisrat und Vorsitzende des Bundes Naturschutz, Roderich Zauscher, wiederum begrüßt das Urteil und fordert: "Die Städte Dachau und Karlsfeld sollten ein Diesel-Fahrverbot in Betracht ziehen, um die hohe Schadstoffbelastung in den Griff zu bekommen."

Die Schadstoffbelastung ist seit Wochen ein großes Thema in Dachau, seitdem ein Bündnis aus Bund Naturschutz (BN), Verkehrsclub Deutschland (VC), Allgemeine Deutscher Fahrrad-Club (ADFC), Bündnis für Dachau und den Grünen vor wenigen Wochen die Ergebnisse ihrer privat durchgeführten Stickoxid-Messungen im Dachauer Stadtgebiet veröffentlicht hatte. In der Mittermayerstraße und in der Brucker Straße lagen die Messwerte demnach über dem zulässigen Grenzwert der Europäischen Union von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter, der bereits als gesundheitsgefährdend gilt.

"Schlechte Luft in kleinen Städten"

Die Schadstoffwerte erreichten mancherorts das Niveau von Münchner Hauptverkehrsstraßen. Vor wenigen Tagen berichtete der BR über Dachau: "Schlechte Luft in kleinen Städten." Ob deshalb gleich ein Fahrverbot für Diesel-Fahrzeuge erforderlich ist, darüber gehen die Meinungen in Dachau allerdings weit auseinander. Auf politischer Ebene, das kündigt OB Hartmann an, werde sich der Umwelt- und Verkehrausschuss der Stadt Dachau zeitnah mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts befassen.

Florian Schiller, Fraktionsvorsitzender der CSU im Stadtrat, mahnt, nicht in Panik zu verfallen. Es gehe zunächst darum, verlässliche Messungen durchzuführen und zweifelsfrei herauszufinden, an welchen Stellen der Stadt Schadstoff-Grenzwerte überschritten werden. Schiller sagt aber auch ganz deutlich: "Durchfahrtsverbote halte ich im Diesel-Bereich nicht für praktikabel in Dachau." Der parteilose Stadtrat Wolfgang Moll fühlte sich am Dienstag geradezu vor den Kopf gestoßen, als er von dem Urteil gehört hatte. Ein Fahrverbot für Dieselautos in Dachau oder München würde für sein Bauunternehmen einer "Katastrophe" gleichkommen, sagt er. Er habe sich schon damit beschäftigt, seine Diesel-Fahrzeuge peu à peu umzurüsten, "aber das geht nicht auf die Schnelle". Moll fordert eine "angemessene Übergangszeit" und das "nötige Fingerspitzengefühl für die Belange der Bürger".

Kommunalpolitker streiten auf Facebook über ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge

Im sozialen Netzwerk Facebook ist sofort nach Bekanntwerden des Urteils eine Debatte über ein mögliches Dieselfahrzeugverbot ausgebrochen. Während die einen entsprechende Verbote für richtig erachten, um die Gesundheit der Bürger zu schützen, sprechen andere Bürger von Hetze gegen Diesel und das Auto an sich, die von Hysterikern und Alarmisten hervorgebracht werde. Ein Mann schreibt: "Weder werden die Grenzwerte hinterfragt noch wird artikuliert, dass wir in Deutschlands Städten mit die beste Luft aller Städte weltweit haben." Währenddessen liefern sich Kommunalpolitiker kleinere Wortgefechte. Markus Erhorn (Freie Wähler Dachau) schreibt etwa: "Wir können nur hoffen, dass der Stadtrat vernünftig bleibt und keine Dachauer Straßen für Dieselfahrzeuge sperren lässt. Nein zu dieser grünen Verbotspolitik." Dachaus Zweiter Bürgermeister Kai Kühnel, dessen Bündnis für Dachau sich an den privaten Stickoxid-Messungen beteiligt hat, erwidert: "Ich hoffe, dass Markus Erhorn irgendwann mal vernünftig wird. Nein zu dieser unreflektierten wendehalsigen opportunistischen Autopolitik." Und der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat, Thomas Kreß, gibt zu bedenken: "Wo bleibt das Flugverbot? Düsentriebwerke sind übelste Stickoxid- Schleudern."

Der Freistaat Bayern ist erst kürzlich vom Verwaltungsgericht München deutlich aufgefordert worden, die hohe Schadstoffbelastung in München zu reduzieren und ein schlüssiges Luftreinhaltenkonzept vorzulegen - die Rede war auch von einem möglichen Diesel-Fahrverbot. Rechtlich ist der Weg nun frei für eine solche Maßnahme. Und es erscheint denkbar, dass Nachbarkommunen wie Dachau und Karlsfeld, die ebenfalls unter einem sehr starken Verkehrsaufkommen leiden, ähnliche Maßnahmen ergreifen, um ihre Luft möglichst rein zu halten.

Die Stadt Dachau hat auf die privaten Stickoxid-Messungen bereits reagiert und Kontakt mit dem Landesamt für Umwelt (LFU) aufgenommen. Im Stadtgebiet sollen nun zeitnah professionelle Schadstoffmessungen durchgeführt werden

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