An diesem Abend werden Dinge gesagt, die wird man zumindest vom Landrat Stefan Löwl und Bezirksrätin Stephanie Burgmaier (beide CSU) so schnell nicht wieder zu Ohren bekommen: dass Burgmaier etwa mit der Sau reingehen will oder Löwl mit seiner kräftigen Stimme irgendetwas von „Gras-Solo“ oder „Bums“ erzählt. Der erfahrene bayerische Kartenspieler weiß, worum es geht: Schafkopf natürlich.
Es ist ein Kult-Kartenspiel, das für Menschen, die nicht in Bayern geboren sind, im ersten Anlauf nicht wirklich zu durchdringen, geschweige denn zu erklären ist. Ein Beispiel: Warum gibt es bei einem Gesellschaftsspiel von mindestens vier Teilnehmern auch Nichtspieler, die schließlich doch am Tisch mitzocken? Um Fragen wie diese zu klären, hat die Frauenunion Dachau einen Schafkopflern-Abend für Frauen organisiert. Dicht gedrängt sitzen die etwa 25 Teilnehmerinnen im Gasthof Groß in Bergkirchen. Die Euphorie des Spiels hat mancher sogar Schweißperlen auf die Stirn getrieben.
„Es macht süchtig, ich sag’ es euch“
Das Schafkopfen war traditionell in der bayerischen Wirtshauskultur verwurzelt, daher haben es viel mehr Männer als Frauen beherrscht. Die Frauenunion nahm sich deshalb vor, etwas Emanzipation ins Spiel zu bringen und mehr Frauen die Spielregeln beizubringen. So wie Burgmaier diese gelernt habe, könnten es ihr auch andere Frauen gleichtun. Das Erklären der Regeln haben die Unions-Frauen an dem Abend aber doch Stefan Löwl überlassen.
Löwl beherrsche das bayerische Kultspiel par excellence, erzählt Burgmaier. Sie selbst lernte es erst vor Kurzem mit der App „Schafkopf light“. Denn in Bayern gehört das Schafkopfen zur Kommunalpolitik wie das Ass zur Ruf-Sau, das habe sie immer wieder beobachten können, wenn sich die Männer nach den Kreistagssitzungen oder bei politischen Stammtischen zum Schafkopf zusammensetzten.
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Inzwischen habe sie aber auch der Ehrgeiz gepackt: Während der Partie zählt sie die verspielten Trümpfe mit, denkt an die nächsten Züge ihrer Mitspielerinnen und beweist einmal mehr, dass ihr Platz die Politik ist. Denn sie ist Strategin und rät etwa: Wenn man eine Partie nicht bedienen könne, lohne es sich, einen Unter zu spielen „Damit bräuchten andere Spieler entweder einen höheren Unter oder einen Ober, um dir den Stich wegzunehmen.“ Ihren drei Mitspielerinnen am Tisch versichert Burgmaier: „Es macht süchtig, ich sag’ es euch.“
Nichtmathematiker haben beim Schafkopf übrigens schlechte Karten. Denn beim Addieren der Punkte wiegen die Karten unterschiedlich schwer – man muss das Kopfrechnen hier also schon ziemlich sicher beherrschen. Wer sich nicht austricksen lassen will, frischt vor der Partie am besten noch einmal das Einmaleins auf.
Einige Mitgliedsanträge liegen schon auf den Tischen
Doch an dem Abend sollen die Frauen offenbar nicht nur das Schafkopfen lernen. Zufrieden sagt Burgmaier halblaut zur Frauenunionsvorsitzenden Ramona Fruhner, dass sie ganz viele Gesichter zuvor noch nie bei der Frauenunion gesehen habe. Die Idee, den Damen aus dem Landkreis das Kartenspiel beizubringen und im gleichen Atemzug womöglich neue Mitglieder oder Parteianhängerinnen zu gewinnen, könnte also aufgegangen sein. Einige Mitgliedsanträge liegen schon auf den Tischen.
Unpolitisch bleibt es bei den Frauen auch nicht. Kanzler Scholz’ angekündigte Vertrauensfrage und die Neuwahl des Bundestags sind Thema, eine Mitspielerin fragt ratlos: „Wen sollen wir nächstes Jahr wählen?“ Bisher habe sie immer „schwarz“ gewählt. Doch ob Friedrich Merz der richtige Kandidat für die nächste Legislaturperiode sei? „Vielleicht wähle ich 2025 doch fanatisch“, sagt sie und lässt offen, wie sie das meint.