Kommentar:Zeit lassen

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Gigantische Wachstumsprognosen und die Landeshauptstadt München üben enoremen Siedlungsdruck auf die Landkreise aus

Von Wolfgang Eitler

Das Landesamt für Statistik muss die Prognose für den Landkreis Dachau innerhalb eines Jahres nach oben korrigieren. Seit Ende Januar rechnet die Behörde mit einem Zuzug nicht mehr von 10 000 oder 15 000, sondern 25 000 neuen Einwohnern bis 2035. Gleichzeitig will Heimatminister Markus Söder (CSU) die Vorgaben für neue Gewerbegebiete erleichtern. Nach einem Gesetzesentwurf der Staatsregierung sollen sie nicht mehr nur genehmigt werden, wenn sie unmittelbar an Ortschaften anschließen. Sie können in der freien Landschaft entstehen. Davon dürften vor allem Kommunen entlang von Autobahnen profitieren. Odelzhausen, an der A 8 gelegen, bereitet sich bereits planerisch auf die Expansion vor.

Angesichts dieser Fakten wirkt das Leitbild unter dem Titel "Dorf und Metropole", das sich der Landkreis mit den 17 Kommunen gegeben hat, naiv bis nett. Der Bund Naturschutz setzt den "Null-Wachstum"-Slogan entgegen. Die andere Seite unterwirft sich dem Siedlungsdruck und behandelt ihn als Mengenproblem. Ihre Frage lautet: Wie bekommen wir es hin, dass genügend Wohnraum entsteht? Die Landeshauptstadt München unter Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) verkürzt die Beratungen auf dieses Problem und setzt das Umland politisch massiv unter Druck.

In diese Konstellation hinein appelliert der Raum- und Städteplaner Mark Michaeli an die Kommunen, sich Zeit zu lassen. Sie sollen lernen, den Druck zu steuern. Sie sollen darauf achten, dass in ihren Gemeinden Qualität entsteht - und nicht der im Landkreis übliche Bauträger-Rentabilitätskitsch mit Euphemismen wie "Stockmanngärten". Wie dringend notwendig dieses Innehalten ist, zeigt sich an der Debatte in Altomünster. Es braucht noch sehr viel Diskussionen, bis die Überzeugung greift, Ortschaften und Gemeinden von Innen heraus neu zu entwickeln, anstatt die Landschaft mit riesigen Baugebieten im Außenbereich weiter zu verschandeln.

© SZ vom 18.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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