Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Wohlfeile Reden helfen nicht

Auch wenn die CSU mit ihrer Erinnerungspolitik guten Willens ist - ihre historische Verantwortung hat sie nicht wirklich begriffen. Diese besteht auch darin, gegen den wachsenden Antisemitismus vorzugehen

Von Helmut Zeller

Die jährlichen Befreiungsfeiern in Dachau sind und bleiben von zentraler Bedeutung für die Erinnerungskultur in ganz Deutschland. Schon deshalb, weil das Konzentrationslager, geöffnet am 22. März 1933, als Modell für alle späteren diente. In Dachau lernte die SS ihr Mordhandwerk. Das KZ Dachau war für politische Gefangene bestimmt, wurde aber auch zu einem Ort des Holocaust. Mindestens zehntausend Juden wurden durch Zwangsarbeit in Außenlagern getötet. Und Dachau ist ein Schauplatz des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion, an dem mehr als 4000 kriegsgefangene Rotarmisten ermordet wurden.

Deshalb kommt dem Gedenkort, der mit 800 000 Besuchern jährlich die meistbesuchte Gedenkstätte in Deutschland ist, eine besondere Bedeutung zu - für Erinnerung, Aufklärung und als Ort, von dem Initiativen gegen den erstarkenden Fremdenhass und Antisemitismus ausgehen sollten. Dazu brauchen die Gedenkstätten aber mehr Unterstützung durch die Politik als bisher. Der Antisemitismusbericht müsste alle demokratischen Parteien aufschrecken: In Deutschland - im Land der Täter - sind Juden wieder bedroht und Übergriffen ausgesetzt. Doch die Bundesregierung hat schon auf den warnenden Expertenbericht von 2012 nicht reagiert.

Sieht so die besondere historische Verantwortung Deutschlands aus? Nur mit wohlfeilen Reden, bei denen an Gedenktagen das "Nie wieder..." beschworen wird, lässt sich die Rückkehr des Hasses nicht aufhalten - es braucht Geld, um aufzuklären, Empathie und Wissen zu vermitteln, wie das neben der Landeszentrale für politische Bildung die KZ-Gedenkstätten tun. Das Land Bayern stellt 2017 der Gedenkstättenstiftung 4,1 Millionen Euro für den Unterhalt der Gedenkorte Flossenbürg und Dachau. Für Investitionen gibt es 7,3 Millionen Euro; das aber nur, weil jetzt endlich für etwa vier Millionen Euro in Dachau ein Parkplatz vor dem Gedenkort gebaut wird. 2018 sinkt dieser Zuschuss bereits auf 2,5 Millionen Euro - kein Cent also etwa für eine Gedenkstätte an der ehemaligen SS-Plantage "Kräutergarten". Und auch vom Bund fließt der institutionelle Zuschuss nicht gerade üppig: 1,5 Millionen Euro jährlich. Alles viel zu wenig.

Der Freistaat Bayern gibt natürlich viele Millionenbeträge noch für andere geschichtspolitische Projekte aus, die Sanierung der Zeppelintribüne in Nürnberg etwa, - und glaubt offenbar, für die Erinnerung insgesamt doch wirklich genug zu tun. Setzt man voraus, dass die CSU guten Willens ist - man denke nur an die bewegende Rede des Ministerpräsidenten Seehofer zum Tod von Max Mannheimer -, muss man ihr jedoch sagen, dass sie ihre historische Verantwortung nicht wirklich begriffen hat. Die besteht auch darin, gegen den wachsenden Antisemitismus vorzugehen, etwa Projekte zu finanzieren, um die Wissenslücken von deutschen wie Jugendlichen aus Migrantenfamilien zu schließen. Die alten Ressentiments der Deutschen sind laut Expertenbericht aktiviert - dem muss sich die Politik in Bayern und im Bund stellen, das muss in der Haushaltsplanung für die KZ-Gedenkstätten als zentrale Orte der Aufklärung entsprechend berücksichtigt werden.

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Quelle:
SZ vom 28.04.2017
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