Kommentar:Viele Fragen bleiben offen

Großer Unmut über die Politik der CSU-Parteispitze und trotzdem keine kritischen Stimmen: Söders Bierzelt-Besuch in Hebertshausen wirft Fragen auf

Von Helmut Zeller

Es konnte doch niemand wirklich erwartet haben, dass in einer Gemeinde wie Hebertshausen, in der bei der Landtagswahl 2013 noch um die 50 Prozent für die CSU stimmten, der Ministerpräsident öffentlich angegangen wird. Zwar hat sich großer Unmut über die Politik der Parteispitze - und nicht nur in Hebertshausen - aufgestaut, aber so weit geht das dann doch nicht, trotz der historisch schlechten Umfrageergebnisse von 38 Prozent, dass man im Bierzelt einen Söder angreift. Außerdem hätte das nur der politischen Opposition Gewinn gebracht, nicht aber Bürgermeister Richard Reischl, der die Rebellion zwar anführt, aber ein CSUler bleibt. Verblüffend war die große Einmütigkeit aber schon, die Söder mit ein paar Sätzen gleich heraufbeschwor. Clemens von Trebra-Lindenau, der CSU-Ortsvorsitzende, hatte ihn davor noch ermahnt, mehr darauf zu hören, was an den Stammtischen gesprochen wird. Auch irgendwie seltsam. Gerade das glaubte man doch überwunden, an Stammtischen wurde in der Vergangenheit doch selten einer fortschrittlichen Politik das Wort geredet. Was war das dann? Ein Strohfeuer? Ein einziges Missverständnis? Ist der Aufstand von Hebertshausen schon Geschichte - in einem Telefonat beigelegt?

Zu fragen wäre auch, ob denn überhaupt alle verstanden haben, was Richard Reischl wirklich will? Reischl schielt nicht auf die Landtagswahl, er hat sich eine moralische Erneuerung seiner Partei in den Kopf gesetzt. Schon klar, die CSU fürchtet die AfD und deshalb läuft sie nach Rechtsaußen, statt sich klar abzugrenzen. Da hilft es wenig, wenn im Kreisverband Politiker glauben, Söder damit verteidigen zu müssen, dass er mit "Asyltourismus" doch nichts gegen die Flüchtlinge, sondern gegen ihre Wanderung durch Europa sagen wollte. Als würde das etwas an der menschenverachtenden Sprache ändern. Reischl ist ehrlich, empathisch und sucht seinen Platz in der CSU. Den sieht er nicht mehr so richtig. Eines wurde an diesem Abend klar: Einem Politiker wie Reischl applaudieren die Menschen nicht nur, sie lieben ihn - das wäre mal eine klare Richtungsangabe für die gebeutelte CSU.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: