Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Verspieltes Vertrauen

Krisenmanagement bedarf einer guten Kommunikation. An ihr hapert es beim Landrat, wenn es um die Corona-Impfungen geht. Und das hat Folgen

Von Christiane Bracht

Landrat Stefan Löwl wird nicht müde, bei jeder Gelegenheit zu wiederholen, wie viele Bürger aus dem Landkreis Dachau schon eine Impfung bekommen haben. Vorbilder sind wichtig, das weiß auch er. Doch das allein reicht nicht, um Verunsicherte oder Unentschlossene von einer Schutzimpfung vor dem Coronavirus zu überzeugen. Es gilt, die Menschen dort abzuholen, wo sie sind. Ihre Ängste ernstzunehmen, sie aufzuklären - und das geht nur mit Informationen. Gerade die Ältesten sind stark verunsichert, viele fürchten sich nicht nur vor dem ansteckenden Coronavirus und seinen schweren Folgen, sondern auch vor der Impfung, die gerade erst neu auf dem Markt ist. Statt vom Arzt ihres Vertrauens beraten zu werden, müssen sie in provisorische Impfzentren, bei denen für sie schon die Anmeldung eine riesige Hürde darstellt. Für die Telefon-Hotline braucht man offenbar extrem starke Nerven und noch mehr Geduld.

Alternativ bleibt den über 80-Jährigen noch die Online-Registrierung. Doch wie viele von ihnen sind schon in der Online-Welt zu Hause? Die meisten haben nicht mal einen Internetanschluss, geschweige denn eine E-Mail-Adresse. Gibt es nicht andere Wege, auf diese Personengruppe zuzugehen? Für die Senioren hat diese Vorgehensweise zu noch mehr Verunsicherung geführt. Viele fühlen sich ausgeschlossen und entmutigt. Denn die allermeisten brauchen Hilfe, und das war vorhersehbar. Wollte man den Hochbetagten auf diese Weise klarmachen, dass sie in dieser Welt fehl am Platz sind?

Es ist kein Wunder, dass sich die Senioren beschweren und ärgern. Nach Weihnachten bekamen sie ein Schreiben, an dem inzwischen nichts mehr stimmt - seither: nichts mehr. Klar, Löwl beruft sich darauf, dass er längst neue Pressemeldungen herausgegeben hat, aber leider nur via Facebook, Internet oder per E-Mail. Doch einen Brief an die über 80-Jährigen, in denen sie über Veränderungen aufgeklärt werden, hat er bisher nicht geschrieben. Dabei wäre genau das der Weg gewesen, die Senioren zu erreichen. Dass er sein Versäumnis jetzt ausbügeln will, ist löblich. Doch mit seiner schlechten Kommunikation hat der Landrat längst viel Vertrauen verspielt.

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Quelle:
SZ vom 21.01.2021
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