Kommentar:Tektonische Verschiebungen

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Die Frage ist: Wer folgt Martin Güll als Kreisvorsitzender der SPD? (Foto: Niels P. Joergensen)

Die Landtagswahl gleicht einem Erdbeben. Nicht nur im Freistaat Bayern, auch in der politischen Landkreiswelt haben sich die tektonischen Platten verschoben.

Von Thomas Radlmaier

Die Landtagswahl gleicht einem Erdbeben. Nicht nur im Freistaat Bayern, auch in der politischen Landkreiswelt haben sich die tektonischen Platten verschoben.

Erstens vertritt fortan nur noch ein CSU-Abgeordneter das Dachauer Land im bayerischen Parlament. Während Seidenath, Kreitmair und Güll in den vergangenen Jahren teilweise gemeinsam Projekte im Landkreis voranbrachten, lastet nun alles auf Seidenaths Schultern. Der CSU-Politiker dürfte es fortan schwerer haben, auf Nöte und Bedürfnisse jedweder Art im Landkreis aufmerksam zu machen. Zwar werden wohl auch die Freisinger Abgeordneten Johannes Becher (Grüne) und Benno Zierer (Freie Wähler) mit einem halben Auge auf Dachau schauen - Letzterer ist Betreuungsabgeordneter für den Landkreis Dachau und wie Becher zum Beispiel erklärter Gegner der dritten Startbahn am Münchner Flughafen. Doch auch sie werden sich freilich vorrangig um ihre Wähler im Nachbarlandkreis kümmern. Wenn es zum Beispiel darum geht, Straßenbauprojekte im Münchner Speckgürtel zu realisieren, stehen auch die Landkreise in Konkurrenz zueinander. Dann ist es in der Politik oft wie beim Boxen. Und mit Martin Güll hat das Team Landkreis ein politisches Schwergewicht verloren.

Zweitens taumelt die SPD im Landkreis - wie in vielen anderen Regionen - in die Bedeutungslosigkeit. Gülls politischer Knockout stellt die Dachauer Genossen vor große Probleme. Die Lichtgestalt will sich komplett aus der Politik zurückziehen und spätestens in eineinhalb Jahren alle Ämter in Partei und kommunalpolitischen Gremien abgeben. Die Frage ist: Wer soll den Kreisverband der SPD in Zukunft anführen? Die beiden roten Bürgermeister Florian Hartmann (Dachau) und Harald Dirlenbach (Vierkirchen) sind damit beschäftigt, ihre Posten bei der Kommunalwahl zu verteidigen. Auch dieses Vorhaben hat das Ergebnis der Landtagswahl nicht leichter gemacht, sowohl die Grünen als auch die AfD wollen von 2020 an in mehreren Stadt- und Gemeinderäten mitmischen. Für den Dachauer SPD-Ortsvorsitzenden Sören Schneider scheinen die Fußstapfen eines Martin Güll ein wenig zu groß. Ansonsten fallen einem wenig Sozialdemokraten mit politischer Strahlkraft ein.

Noch ist Zeit, um jemanden aufzubauen. Doch das setzt voraus, dass man sich innerhalb der Kreis-SPD nun aktiv Gedanken macht, wie man sich künftig aufstellen will. Auf einen Glücksfall, wie es Martin Güll für die SPD gewesen ist, braucht man nicht zu hoffen.

© SZ vom 18.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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